Mörderische Abgründe in Dänemark
Thriller Niedliches Legoland? Von wegen: Auch in Dänemark tun sich Abgründe auf
Lena Uphoff
29.12.2010

Was fasziniert Sie an Mördern?

Ich bin Anfang der 1950er Jahre in einer psychiatrischen Klinik aufgewachsen, in der mein Vater als Psychiater tätig war. Meine besten Freunde waren Geisteskranke. Ich lernte einen sehr sympathischen Patienten kennen, der allerdings seine Frau umgebracht hatte. Ein netter kleiner Mörder, sagte mein Vater immer. Damals war ich sechs Jahre alt. Seither denke ich darüber nach, wo das Böse herkommt.

Mörder hatten ja oftmals eine schwierige Kindheit.

Das ungeliebte Kind ist die gängigste Erklärung für das Böse. Ich kenne aber auch Mörder, die als Kind geliebt und umsorgt wurden. Vielleicht nicht mit genügend Empathie? Als Eltern können wir nur hoffen, dass wir mit unseren Kindern alles richtig machen. Um gute Menschen zu werden, brauchen wir Liebe, Fürsorge und Mitgefühl. In Dänemark haben wir viele, die das nie erfahren. Und dafür ist auch unsere Gesellschaft verantwortlich.

Wir stellen uns Dänemark ja als niedliches Legoland vor...

Ein schönes Urlaubsland, stimmt. Aber in den vergangenen zehn Jahren hat sich viel verändert. Wir haben Einwanderer so schlecht behandelt, dass wir uns über bestimmte Entwicklungen nicht ­wundern brauchen. Die sozialen Gräben in der Gesellschaft ­werden tiefer. Die Zahl der Gewalttaten hat stark zugenommen. Es gibt Ecken in Dänemark, in die ich nachts niemanden alleine hinschicken würde. Ich bin ein politischer Mensch – auch ein Grund, warum ich heute schreibe.

Sie spielten in der dänischen Friedensbewegung eine führende Rolle. Schreiben Sie auch deshalb heute Thriller?

Das war für mich die ideale Vorbereitung als Autor. Ich habe viel darüber gelernt, wie Menschen Böses tun. Friedensaktivisten sind die hartgesottensten Menschen. Du kämpfst um deine Rechte und hast mit den Militärs den härtesten Gegner überhaupt. Du musst dich in solche Menschen hineindenken. Was gibt es Schlimmeres, als Kriege vorzubereiten? Es gibt in der Friedens­bewegung viele sogenannte Gutmenschen. Aber das reicht nicht. Man kann nicht für den ­Frieden kämpfen, wenn man vom Bösen nichts versteht.

Beim Schreiben hören Sie Musik – ­Mozart oder Heavy Metal?

Eher Mozart. Am liebsten aber Filmmusik. Meinen vierten Krimi schrieb ich zur Musik zum Film „Mission“ von Ennio Morricone. Jedes Buch hat eine Musik.

Beeinflusst die Musik dieser Filme dann auch ihre Geschichten?

Nein. Wenn ich richtig müde oder mies drauf bin, esse ich dänischen Lakritz. Dann geht’s mir wieder richtig gut. Mit der Musik geht es mir ähnlich. Ich suche offene Symphonien – wie etwa die von Mozart. Bei seinen Kompositionen fehlt immer eine Stimme, die man sich dann im Kopf da­-­zudenken muss. Er ließ ja mit Absicht in seinen Partituren eine Linie weg. Und weil eben diese Zeile fehlt, kann man Mozart endlos hören, ohne müde zu werden. Das will ich auch beim Schreiben umsetzen: Der Leser muss seine Stimme ergänzen.

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