06.10.2017

Fahren Sie öfter lange Strecken mit der Bahn? Dann hätten wir mal eine Frage: Was lesen Sie? "Die Geschichte der getrennten Wege", den neuen Roman von Elena Ferrante? Oder doch lieber die Gala, die Sie sich am Kiosk geleistet haben? Ach so, das Smartphone reicht Ihnen völlig. Willkommen im Club. Drei von vier Deutschen daddeln im ICE auf dem Handy. Aber immerhin: Jeder Zweite sagt auch, er oder sie lese ein Buch. So richtig aus Papier.

Echt jetzt? Ich pendle mehrfach die Woche mit dem ICE nach Frankfurt. Und dass jeder Zweite im Großraumwagen ein Buch liest – hm. Das ergibt meine persönliche Feldforschung nur ein einziges Mal im Jahr, und zwar jetzt: wenn Frankfurter Buchmesse ist. Dann gibt es mehr Frauen und mehr XXXL-Papiertüten im ICE. Tüten mit Buchkatalogen und mit – echten Büchern!

Auf der Buchmesse dreht sich dieses Jahr alles um Frankreich. Wir haben mit der französischen Illustratorin Claude K. Dubois gesprochen, die auf der Messe das Kinderbuch „Akim rennt“ vorstellt, eine Geschichte über Flucht und über Menschlichkeit. Und mit der Charlie-Hebdo-Zeichnerin Catherine Meurisse, die wie durch ein Wunder überlebt hat und mit ihrem Buch versucht, wieder Boden unter die Füße und Leichtigkeit in ihr Leben zu bekommen.

Wie schön, dass heute mal alle Feuilletons über französische Kultur schreiben. Denn traurig, aber wahr ist auch: Französisch ist out. An den Schulen meiner Kinder ist der „Franz-LK“ die letzten Jahre gar nicht zustande gekommen, der Schüleraustausch stockt. Zu wenige Bewerbungen. Wie schade! Meine Generation wurde durch die „jumelage“ geprägt, wie auch die Nachfolgegeschichte erzählt.

Bei mir hat die viele Austauscherei in der Kindheit zumindest das bewirkt: Ich fahre in kein anderes Land so gern wie nach Frankreich. Dieses Jahr habe ich im Frankreichurlaub zwei Bücher gelesen, die ich beide empfehlen kann: „Rückkehr nach Reims“ von Didier Eribon. Sehr erhellend. Mein Urlaubsort war nicht weit von Fréjus, wo ein Front-National-Bürgermeister regiert. Der Soziologe Eribon versucht zu erkunden, warum im Ort seiner Herkunft, ehemals ein stramm kommunistisches Milieu, jetzt so viele rechtsextrem wählen. Das zweite Buch, das ich im Liegestuhl las: „Die Chefin“ von Marie NDiaye. Die Geschichte einer Starköchin. Schönes Buch, macht aber sehr hungrig. Also besser nicht im ICE lesen. Da ist ja doch oft das Bordbistro dicht.

Noch viel mehr Buchtipps gibt es hier. Ich wünsche Ihnen einen bunten Bücherherbst. Vive la France!

Ursula Ott
Chefredakteurin

PS: Den chrismon-Stand auf der Buchmesse finden Sie in Halle 3.1 am Stand B 107.