Meeresstrudel von oben
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Klimakrise
Erst immer heißer, dann katastrophal kalt?
Es war eine plausible Theorie, nun haben Klima-Forschende aus den Niederlanden nachgewiesen: Meeresströmungen können versiegen, es gibt Kipppunkte. Die Folgen wären dramatisch - auch für Europa
Tim Wegner
26.02.2024

Seit 10.000 Jahren hat die Menschheit das Glück, in klimatisch stabilen Verhältnissen zu leben. In den vergangenen Jahrhunderten aber verbrannten die Menschen jede Menge fossile Energieträger: Kohle, Öl und Gas. Dadurch ist die Konzentration von Kohlendioxid angestiegen; die Moleküle verhindern, dass Wärme zurück ins All gestrahlt wird. Die Durchschnittstemperatur auf der Erde nimmt zu, seit Beginn der Industrialisierung in Deutschland schon um mehr als 1,6 Grad.  

Ein Garant für ein stabiles Klima waren und sind die atlantischen Strömungssysteme, einer davon ist der Golfstrom. Er sorgt dafür, dass warmes Wasser Richtung Norden „gepumpt“ wird. Dort gefriert ein Teil davon, der Salzgehalt des Wassers steigt an, das schwerere Salzwasser sinkt herab in die Tiefe und macht die Bahn frei für wärmeres Wasser aus dem Bereich der Tropen. Ein perfekter Kreislauf, der dafür sorgt, dass die Winter in Europa meist sehr viel milder sind als in weiten Teilen Nordamerikas oder Russlands. Für diesen Kreislauf ist Salzwasser also sehr wichtig.

Weil das grönländische Eisschild schmilzt – es wird ja wärmer, Klimakrise eben – gelangt mehr Süßwasser ins Meer. In der Theorie droht eine Gefahr: Der Golfstrom erlahmt und fällt in sich zusammen. Damit wäre einer der Kipppunkte erreicht, vor denen die Klimaforschung immer warnt. Lange Zeit war es eine Theorie, eine – plausible – Befürchtung, dass der Golfstrom kippen kann, mit der ironisch anmutenden Folge, dass sich Europa in Zeiten der Erderwärmung dramatisch abkühlen würde. 

Die Gefahr: Binnen 100 Jahren geht es dahin 

Modelle zeigen nun, dass dieses Szenario nicht nur plausibel ist – sondern auch, dass es eintreten wird, wenn die Menschheit das Klima auf der Erde noch weiter erhitzt. Wann genau? Das sagt die Forschungsgruppe um den Klimawissenschaftler René van Westen, Universität Utrecht, nicht. Aber die Forschenden konnten in Simulationen zeigen, dass Meeresströme kippen, wenn mehr Süßwasser in den Atlantik gelangt. 

Mehr noch: Die Strömung hat sich schon abgeschwächt, um 15 Prozent in den vergangen gut 70 Jahren. Die Forschenden schlagen vor, den Salzwassergehalt im Südatlantik zu beobachten und die Daten fortwährend auszuwerten. Aber auch dann kann niemand sagen, wann genau das Systems kollabiert. 

Ist dieser Kipppunkt erreicht, geht es schnell: Binnen 100 Jahren kühlen sich Europa und andere Weltregionen rasant ab, um bis zu drei Grad pro Jahrzehnt. Eis über dem Ärmelkanal wäre die Folge – das veranschaulicht die Gefahr. In meinen Worten: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das, was wir heute unter Zivilisation verstehen, aufrechterhalten können. Alles würde zusammenbrechen, zumal ein Versiegen des Golfstroms weltweit Auswirkungen hätte. Die Folgen wären nicht auf die Nordhalbkugel begrenzt. Und die Veränderungen kämen so rapide, dass wir Menschen uns nicht schnell genug anpassen können.

Interessant finde ich die Worte, die Stefan Rahmstorf, Ozeanograf und Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, anlässlich der Studie gefunden hat. Er sagte: "Es geht nicht darum, sicher zu sein, dass es passieren wird. Wir müssen es mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent ausschließen. Sobald wir ein eindeutiges Warnsignal haben, wird es angesichts der Trägheit des Systems zu spät sein, etwas dagegen zu unternehmen."

Und genau das ist neu: Wir können eben nicht sicher ausschließen, dass die Gefahr besteht. Im Gegenteil. Die Modelle sind klar, das System kann kippen – und damit eine 10.000 Jahre währende Stabilität.

Einmal mehr muss man also sagen: Wir haben es in der Hand, die Lösungen sind da, die Wende muss her. Das Pariser Klimaschutzziel ist eben nicht nur eine nett gemeinte Empfehlung, sondern eine Notwendigkeit. 

Erstaunlich ist aber die Ruhe nach dieser Studie. Wichtiger war für viele, ob Thomas Tuchel es noch packt bei den Bayern oder ob der HSV mit Steffen Baumgart wieder aufsteigt. So kommt es mir jedenfalls vor, und ich bin dabei auch keine Ausnahme. Es herrscht das große Verdrängen. Sondersendungen, Talk-Shows, Krisengipfel? Fehlanzeige. 

Warum ist das so? Darum geht es in der nächsten Klimazone am 11. März. Kleiner Spoiler: Dann geht es um die „Drachen der Untätigkeit“ und das wunderbare Buch „Klima im Kopf“ von Katharina van Bronswijk. 

Quelle: Physics-based early warning signal shows that AMOC is on tipping course, den Link zur Studie finden Sie hier

 

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Unter "Forscher haben nachgewiesen" verstehe ich eigentlich einen Beobachtungsnachweis und nicht bloß irgendeine Modellrechnung am Computer, die das gewünschte Ergebnis produziert.

Kann oder möchte sich hier noch jemand daran erinnern, wie präzise die Modellrechnungen während der autoritären Corona-Maßnahmen die Zukunft vorhersagen konnten und die staatliche Einsperrpolitik rechtfertigten? ;)

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Das Aussteigerlied aller Naturisten  wird vom ihrem Stimmbruch dirigiert.
Ein Recht aller Religionen (u. Parteien) ist es, abstrakte Wünsche (z. B. das Paradies und ewigen Wohlstand) als Möglichkeit zu behaupten, was möglich ist als machbar (aber nicht von ihnen!) darzustellen und den, der das Ziel nicht erreicht, als Sünder oder als unfähig  hlnzustellen.

Folgendes abgewandelte (v. Kingsnorth in CHRISMON) Lied, bzw. "Klimaunser", singen alle, die glauben, die Welt mit "Zurück zur Natur" retten zu können: "Ich glaube, dass die globale industrielle Wirtschaft die lebenserhaltenden Systeme der Erde vernichtet, das Mosaik menschlicher Kulturen zerstört und die Menschen als Opfer und Nutzer für eine technisch-industrielle Zivilisation mißbraucht, die uns eines Tages auszehren könnte".

Das Lied ist zweifellos richtig. Und dennoch unvollständig, weil sie darauf keine menschenwürdige Antwort, die die Menschenrechte und Nächstenliebe erfüllen, als Lösung geben können.

Herr Husmann hält mit Zweckoptimismus dagegen: "Wir haben es in der Hand, die Lösungen sind da, die Wende muss her".

  Zweifellos baut die Zivilisation den Babel-Turm. Irgendwann fällt er um, weil er wegen zu hoher Ansprüche, der Auszehrung der ihn tragenden Ressourcen unsicher und wegen unserer Zahl zu kopflastig geworden ist. Wer hat uns die Zivilisation mit all ihren Vorteilen und Nachteilen "geschenkt"? Sie wurde uns aus den Anfängen der Bewußtseinsbildung, aus dem Schaum der Antike als Grosse Unbekannte geboren. Sie hat alle Merkmale eines Naturgesetzes, sie folgt seit über 10.000 Jahren unseren menschlichen natürlichen  Gesetzmöglichkeiten. Den Ansichten von H. Husmann zu Trotz. Die "Freitags-Mahner" und -Maler einer schönen neuen Dauerwelt singen ebenfalls ein Wunschkonzert, für das es keine harmonische Melodie gibt. Es sei denn, sie finden eine pflegeleichte Zivilisation mit dem dazu maßgeschneiderten neuen Menschen.

Sie sind  "im Grünen", bzw. In ihrem geistigen "Schrebergarten" auf der Suche, um für sich die guten Seiten der Bio-Zivilisation zu nutzen und alle Probleme zu vermeiden. Ihr gutes Recht. Sie blenden aber aus, dass die Gesamtgesellschaft diese Wahl nicht hat. Denn der größte Teil von ihr lebt vom ökologischen Mißbrauch, von der Vernichtung aller Rohstoffe und der Natur. Die Bewohner unserer Städte und der Megazentren in Asien und Afrika können nicht so ökologisch leben,  wie unsere Land-Liebe-Idealisten  glauben, es auf hohem Niveau auf Dauer (!) zu können. Die Sinnsuche der Massen dient dem Überleben. Wollen wir deren Richter sein? Es gibt nicht den grossen Unbekannten als den verantwortlichen Steuermann. Die Steuerung der Zivilisation, der Gesellschaften und sonstigen Ordnungen gehorcht der Summe und Wirkung aller guten und schlechten menschlichen Eigenschaften von allen Beteiligten. Die Kultur-Mosaiken sind ein alter Luxus der Individualisierung . Zivilisation bedeutet aber auch, einen rücksichtslosen Leistungsvergleich zwischen den Kulturen. Das ist der "Markt" unseres Lebens. Wohin das führt? Keiner weiß es, alle ahnen es und niemand möchte es auf Dauer wahr haben. Das Leben besteht aus Anfang und Ende. Alles andere auch. Wer das nicht akzeptieren will, muss sich eine andere Welt suchen. Wenn Flasche leer, Spiel ist aus und Kneipe ist pleite

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Zitat: "Modelle zeigen nun, dass dieses Szenario nicht nur plausibel ist – sondern auch, dass es eintreten wird, wenn die Menschheit das Klima auf der Erde noch weiter erhitzt".
Und was ist, wenn die Menschheit das Klima nicht weiter erhitzt? Dann verschwinden doch nicht alle Gase und sonstige Gründe, die dazu geführt haben. Dann wirkt doch das was oben ist noch weiterhin. Das Ziel könnte doch nur (vermutlich aber nicht oder nur unvollständig) erreicht werden, wenn wir auf alle bisherigen Werte, die zu den 8 Milliarden, auf unseren gesamten Wohlstand und die Mobilität verzichten. Das Zitat erweckt dagegen den Eindruck, dass es möglich ist, den abwärts rollenden Schneeball aufzuhalten, ohne ihn zu zerstören. Wie lange rollt denn die Entwicklung schon? Seit Jahrhunderten erzeugt der Fortschritt die Reibungshitze. Und die "Wünsch-Dir-was-Kommentatoren" wollen, was so lange mit immer höherer Geschwindigkeit rollt, in überschaubarer Zeit zum Stehen bringen? Ein Flug in den Urlaub. Sie sehen in ganz Europa, im Nahen Osten, in Asien riesige abgeholzte Flächen. Da standen Bäume. Die wurden zuerst für das Kochen, dann für die Metallverhüttung (Holzkohle!) und für Ackerflächen zum CO2. Das Vieh erzeugt Methan. Das Lachgas die Industrie und die Natur. Dann begann man, den alten gelagerte Kohlenstoff mit Kohle, Gas und Öl aus dem Boden zu holen und in der Endstufe als Gas in die Atmosphäre zu verfrachten. Man glaubte an den Friedhof der Gase über uns. Der Friedhof lebt und heizt uns ein. Der Verkehr gab uns den Rest und macht auf Dauer die Vorräte zu Resten. Die Bilder der weltweiten Megastädte (Asien, Afrika, Naher Osten, Amerika) zeigen den unregierbaren Horror. Das ist der Preis der Zivilisation, die uns den unsinnigen Konsum, die Vernichtung von Lebensmitteln, den Fortschritt, die Mobilität, ermöglicht. 1800 hatte die Erde 1 Milliarde Bewohner. Jetzt sind es 8 Milliarden und bald bis 10. Und diese Zahlen fordern nicht ihren Tribut? Und das soll keine Folgen haben und von uns "repariert" werden können? Und damit ist noch lange kein Ende. Alle 100-200 Jahre muß die weltweite Infrastruktur (Strassen, Brücken, Häuser, Versorgung, etc.) total erneuert werden. Neben der Abnutzung dann auch noch die meist vergessenen die Schäden durch die UV-Strahlung. Getoppt wird das alles durch den steten Ersatz von allen technischen Produkten (Maschinen, PKW, Haushalt). Wo sollen denn die Rohstoffe dafür herkommen? Nachhaltigkeit, Wiederverwendung? In kleinsten Teilen möglich, aber Rost, Abgase und Humus können Sie nicht in die Ursprungsrohstoffe zurückverwandeln. Die Hilflosigkeit erzeugt das beliebte Freitags-Geschrei nach der Schuld. Eine Schuld gibt es aber nur, wenn ein Täter mit seinem Tun auch weis, dass er schuldig werden wird. Unsere Ahnen aber wussten um die Folgen des Wohlstandes, des Fortschritts nichts. Und als die Zukunft begriffen wurde, rollte der Ball schon.

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Erschreckend in allen Medien die Widerstandsfähigkeit der Kommentatoren. Unverdrossen wird geschossen mit vielen Worten an allen Orten und zu gerne unterschlagen, was andere aus Erfahrung zu sagen haben. Selbst die Weltverbesserung kennt kein Erbarmen vor der Wahrheit. Wann wird endlich begriffen, dass sowohl unsere Zahl (droht das Mäusehaus?) als auch unsere Werte nicht zwingend für jede Zukunft geeignet sein können? Denn ginge es nach unseren Werten, müßten wir 2100 ca. 10 Milliarden (vorzugsweise in den Zentren!) sein. Von 2200 redet schon niemand mehr! Warum? Weil alle wissen, dass die wenigen Jahre (nur 7 Generationen) unüberschaubar sind. Gebt doch zu, dass Euer Latein am Ende ist. Das Problem? Hoffnung verkauft sich immer gut und die Angst, dass der als Schuldiger gescholten wird, der die Wahrheit sagt. Wißt Ihr jetzt, warum dazu von der EKD kein Wort kommt? Weil die noch mit der Abwicklung des Wohlwollens für die Kleber genug zu tun haben.

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