Elias Hassos
Der Neue ist witzig und charmant, aber nur Polizist. Frauen streben oft nach Höherem – für ihre Männer
19.04.2013

Mia hat sich vor einiger Zeit mit einer alten Freundin getroffen. Das heißt, so alt ist Anna gar nicht: gerade mal 30. Die beiden kennen sich von früher, als Mia noch Annas Lehrerin war. Nach dem Abitur haben sie sich angefreundet. Es gibt kaum etwas, was die eine von der anderen nicht weiß. Mia ist jetzt, mit 44, frisch verliebt. Sie kriegt rosige Bäckchen, wenn sie von Leon spricht. „Was macht er denn beruflich?“, will Anna wissen. „Er ist Polizeibeamter“, antwortet Mia und wundert sich über Annas Reaktion.

Denn die lehnt sich zurück und meint schnippisch: „Ich könnte nie mit jemandem zusammen sein, der weniger darstellt als ich. Warum suchst du dir nicht einen Anwalt oder Arzt? So jemand würde besser zu dir passen. Du unterrichtest, schreibst Bücher, machst Radiosendungen – was willst du mit einem Polizisten? Jünger, weniger repräsentativ, also wirklich!“ Mia ist sprachlos. So konservativ, so fixiert auf die weibliche Rolle hat sie Anna noch nie erlebt. Die gesellschaftliche Stellung eines Mannes wichtiger als seine menschlichen Qualitäten?

Oft genug ist es noch so. Wer in der Familie oder im Freundes­kreis einen Liebsten präsentiert, der deutlich weniger Geld verdient, wer auf der Karriereleiter noch längst nicht so weit ist wie die Freundin, der wird eher nachdenklich betrachtet – und sie mit ihm. Ist er nur ihr Gespiele, einer, den sie ablegt, wenn der gut betuchte Mr. Right kommt? Vor allem junge Frauen schauen darauf, ob der Mann ihres Herzens auch standesgemäß und damit vorzeigbar ist.

Wo die Liebe hinfällt - Susanne Breit-Keßler wundert sich über die eine oder andere junge Frau von heute.


Man will ja nicht gegen Freundinnen „abstinken“, die einen ­Juristen, Mediziner oder gar einen finanzstarken Fußballspieler an Land gezogen haben. Nichts dagegen zu sagen, wenn eine Frau nach einem Mann Ausschau hält, der ihr das Wasser reichen kann – so, dass sie mit ihm leben, reden, schweigen, lachen und weinen kann. Nur: auf sein Einkommen und sein Prestige kommt es dabei nicht an.

Sie muss allmählich von ihren Ansprüchen abrücken

Mia findet Leon witzig, geistreich, charmant, sehr behutsam und manchmal saukomisch. Diese Kombination erlebt sie so zum ersten Mal. Sie fühlt sich wieder richtig jung. Und Leon? Er hat sich anfangs ein bisschen schwergetan mit dem Gedanken, dass seine Freundin es karrieremäßig schon erheblich weitergebracht hat als er. Er würde sie gern großartiger ausführen, reicher beschenken. Es fällt ihm nicht leicht, auszuhalten, dass im Freundes­kreis alle Männer bessere Stellungen haben als er.

Die haben mit ihm aber keine Probleme. Warum auch? Er ist völlig in Ordnung, der Typ. Nur die Frauen spötteln hinter vor­gehaltener Hand über Mias beschwingte Seligkeit und ihren ­Polizisten, der ihr keinen Malediven-Urlaub finanzieren kann. Anna taumelt derweil von einem Beziehungschaos ins andere. Monate nach ihrem Gespräch mit Mia wird sie schwanger und alleinerziehende Mutter – bis sie Robert kennenlernt.

Er ist wie sie in einer Computerfirma beschäftigt, ein guter Job, mehr nicht. Auch nicht weniger. Aus einer gescheiterten Beziehung bringt er seine Tochter mit. Anna muss allmählich von ihren Ansprüchen abrücken: Robert könnte ambitionierter sein. Aber er will nicht, weil er einfach wunderbar zufrieden ist. ­Irgendwann spürt Anna etwas von der biblischen Weisheit: „Ein gütiger Mensch ist der Liebe wert, und ein Armer ist besser als ein Lügner“ (Sprüche 19,22). Und eigentlich würde sie gern wieder mal mit Mia plaudern.

 

Ist es wichtig, eine gute Partie zu machen? Was meinen Sie?

Sehr geehrte Frau Breit-Keßler

Im Grunde teile ich die Ansicht, die ich aus dem Kontext Ihres Artikels herauszulesen glaube: Nein, es ist nicht wichtig welchen sozialen Status der Partner hat, weil andere Dinge in einer Beziehung einen höheren Stellenwert inne haben sollten und letztendlich sicher auch haben.
Das Leben ist so vielfältig und mitunter so wechselhaft, dass kaum jemand noch langfristig eine für sich und seine Familie sichere Prognose bzw. Lebensplanung abzugeben vermag. Ein Zustand, der nicht immer einfach zu handhaben ist, aber eben auch nicht eines gewissen Reizes entbeehrt. Ich nenne es „Abenteuer Leben“.
Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir uns Ziele setzen können und den Rahmen dafür abzustecken ist wichtig. Was letztendlich daraus wird hängt jedoch oft nicht nur von uns selbst ab.
So ist es meiner Ansicht nach auch in einer Partnerschaft.
Jeder sollte die Elemente einbringen die er gut kann, gemeinsam mit dem Partner wachsen und das Leben miteinander durch die Dinge bereichern, die verbinden.
Ein schöner und erstrebenswerter Zustand.
Die Wirklichkeit – und auch da gebe ich Ihnen Recht – sieht allerdings anders aus.
Genau die von mir eingangs erwähnte Unbeständigkeit des gegenwärtigen Lebens lässt meiner Ansicht nach Menschen zunehmend einer Überhöhung der Individualität verfallen, die am Ende in einem Kult der Statussymbole gipfelt.
Wer hat das teuerste Auto?
Wer kann sich den größten Fernseher leisten?
Wer hat den bestbezahltesten Job?
Wer legt sein Vermögen am cleversten an?
… etc. .
Soviel jeder braucht … gilt doch schon lange nicht mehr. Und nahezu alle sind bereit „soviel jeder hat“ für den allgemein gültigen Verhaltenskodex zu akzeptieren.
Gerade im Kreis von Freunden und Bekannten scheint mitunter ein regelrechter Wettbewerb zu entstehen. Wer ist da schon stark genug, sich dem mitunter selbst auferlegten Druck zu widersetzen, es den anderen gleich zu tun?
Scheint es da nicht schon völlig normal zu sein, auch mit dem sozialen Status des Partners zu punkten?

Ich habe es selbst erfahren müssen, wie schnell eine Beziehung daran scheitern kann, wenn eben nicht der „gut betuchte Vorzeigepartner“ (auch als Aufwertung der eigenen Persönlichkeit) im Freundeskreis herzuhalten vermag.

Es ist jetzt sechs Jahre her, seit ich diese Erfahrung machen musste.
Am Beginn der Beziehung war ich „der Exot“, interessant als Mensch und eben ganz anders als alles, was vorher war. Als es andauerte und der Punkt erreicht war, mich Freunden vorzustellen, wurde aus mir „der Schriftsteller“, „der Poet“ gemacht, obwohl ich damals gerade mal ein literarisch ziemlich dürftiges Werk veröffentlicht hatte, das eher eine tagebuchähnliche Zusammenfassung von gemeinsamen Erlebnissen beinhaltete.
Das ich meinen Lebensunterhalt mit diversen Aushilfsjobs und an den Wochenenden als Familien- und Hochzeits-DJ verdiene, blieb im Freundeskreis unerwähnt.

Es bedarf vermutlich einer sehr große Liebe und eines überdurchschnittlich ausgeprägten Selbstwertgefühls, die mit einer Menge Toleranz und Respekt vor der Lebensleistung anderer Menschen einher gehen, wenn man (bzw. Frau) sich zu einer Partnerschaft öffentlich bekennt, in der der Mann sein Leben nicht permanent auf der Karriereleiter verbringen mag.

Ich möchte nicht grundsätzlich darüber richten oder gar verurteilen, dass Menschen nach Höherem streben. Das hat der menschlichen Zivilisation viele gute und nützliche Dinge beschert und uns zu dem gemacht, was wir heute sind.
Dieses Streben auch außerhalb einer Partnerschaft verwirklichen zu können, ist völlig in Ordnung. Auch die Anerkennung (und die Honorierung) durch die Gesellschaft, Familie, Freunde und Bekannte finde ich absolut gerechtfertigt. Das ist letztendlich die Motivation, die uns dazu treibt immer noch ein Stück besser zu werden.
Daran ist nichts ehrenrühriges. Ganz im Gegenteil.
Einen Menschen (und erst recht einen Partner) daran zu messen, welchen sozialen Status er erreicht hat, ist aber meines Erachtens aus einer anderen Welt. Für eine dauerhafte gute Partnerschaft zählen mehr Dinge als „… mein Haus, mein Auto, mein u.s.w. … .

Mit freundlichen Grüßen verbleibt

B. Bless

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Ja was macht er denn? Nach Beantwortung dieser Frage stockte das Gespräch und keiner wusste anscheinend noch was mit mir zu besprechen sei. Ich bin der Freund einer Studentin und befinde mich im Kreise von Berliner Medizinstudenten und ich bin Kaminkehrermeister.
Diese Reaktion konnte ich öfters wahrnehmen jedoch noch nie so geballt.
Auch ist das jetzt schon 40 Jahre her, jedoch scheint manchem Akademiker heute noch der gesellschaftliche Umgang mit einem Handwerker schwer zu fallen.
Dünkel (?) oder nur der Glaube mit einem so ungebildeten Menschen kein ordentliches Gespräch führen zu können?
Inzwischen bin ich der einzige Nichtakademiker in der Familie und fühle mich durchaus wohl dabei. So manches mal jedoch erwischt mich wieder der Stachel - wenn beispielsweise meine Tochter für ihr Promotions-studium in Oxford UK eine Bürgschaftszusage braucht, so bittet sie mich doch nicht als Chimney Sweep zu firmieren, da in England sich niemand etwas darunter vorstellen kann, also wird meine Zweitqualifikation, der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, eingetragen.
Unser Freundeskreis besteht aus einer sehr homogenen Mischung von Studierten und nicht universitär Gebildeten. Auch aus Medizinerkreisen haben sich einige nicht nehmen lassen mit uns eine intensive Freundschaft zu pflegen.
Um die im Artikel angesprochenen Probleme zu überwinden, benötigt sowohl die betroffen Frau, als auch der von ihr eingeschleppte Mann
ein robustes Selbstbewusstsein. Denn entscheidend ist nicht die möglicherweise voreingenommene Umgebung, sondern das gemeinsame Verstehen der Beiden.

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