Katrin Binner
Warum immer diese Floskel? Es gibt so schöne Sätze mit "Ende" und "Tag"...
Tim Wegner
27.03.2014

Sprachforscher der Universität Bremen haben herausgefunden, dass es im Englischen mehr poetische Sprachbilder gibt, die mit der Tageszeit zusammenhängen. „High noon“ für „höchste Zeit“. „Sunset years“ und „evening of life“ für den sogenannten Lebensabend.

„The teatime of the soul“ ­– wunderbar, wenn auch schlecht zu übertragen nach Deutschland, das keine Teatime kennt und sogar die Mittagspause in vielen Büros abschafft. Wir Deutschen könnten bestenfalls die „Vertrauensarbeitszeit der Seele“ ausrufen. Klingt nicht so poetisch.

Ausgerechnet die hässlichste Tageszeit-Metapher haben wir aus dem Englischen übernommen: Am Ende des Tages. Sie kommt aus dem Wirtschaftsenglisch, konkret vom Börsenschluss. Im Englischen wie im Deutschen soll sie so viel heißen wie „wenn Bilanz gezogen wird“. Aber Bilanz ziehen ist eben – brrrr. Teatime ist schöner. In England nervt die Formulierung „at the ­end of the day“  schon lange – die Leser der Daily Mail ­haben sie bereits 2009 zur „ärgerlichsten Bürofloskel“ gewählt.

Und bei uns im Deutschen kommen so Null­sätze dabei heraus wie: „Am Ende des Tages zählt nur das Herz.“ Was will der „Focus“ (in einem ­Artikel über Paolo Coelho) uns damit sagen? Um 7 .15 Uhr zählt die Lunge, um 11.28 Uhr zählt die Milz, um 20.14 Uhr zählt das Herz? Natürlich nicht, sondern: Letztendlich zählt nur das Herz.  Das klänge allerdings genauso dünn wie der Aussagegehalt des Satzes an sich.

Hallo, es ist Frühjahr! Der Tag geht noch lange nicht zu Ende, wir könnten uns an langen Abenden neue schöne Sätze ausdenken mit „Tag“ und „Ende“. Wie wärs mit:  „Ich will mit Dir zusammenbleiben bis ans Ende aller ­Tage“? Oder gleich: „Und siehe, ich bin ­bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Der ist nicht neu, sondern 2000 Jahre
alt, aber immer wieder schön. Matthäus 28, die Auferstehungsgeschichte. Frohe Ostern!

Permalink

"Der Tag geht noch lange nicht zu Ende", einverstanden, aber "dünn" und mau, und wenig aussagekräftig, wie die ganze Zeitschrift letztendlich, ( auch so ein schönes Wort ! ) , ist es doch. Vergeblich suche ich hier Lesenswertes, dauernd wird man nur zum Pöbeln, Pardon: zur Kontroverse eingeladen, bzw. zum Jammern. "Letztendlich zählt nur das Herz", und "dünn wie der Aussagegehalt des Satzes an sich." Das allerdings bedarf der Interpretation, finde ich, denn der Satz an sich mag wohl recht banal sein, aber seine Aussage ist nicht dünn, sondern eher aus dem Zusammenhang herausgerissen. Frohe Ostern!

Permalink

Frau Otts Kolumne "Erledigt" trifft gewöhnlich ins Schwarze uns ist mir seit langem eine willkommene Lektüre; so auch die letzte Folge "Am Ende des Tages". Leider ist aber auch Frau Ott nicht vor sprachlichen Entgleisungen gefeit, wenn sie z. B. das blödsinnige "Hallo" verwendet, hier in der Aussage "Hallo, es ist Frühjahr". Vielleicht denkt sie mal über dieses "Hallo" nach und sie könnte uns darüber noch eine nette Kolumne liefern, worauf ich mich schon freue.
Dr. Herbert Dickhoff , Straelen

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Segelboot aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.