Was tröstet? Was kann, soll, darf ich sagen, wenn Menschen schwer erkranken?
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Dumme Bemerkungen
Was tröstet? Was kann, soll, darf ich sagen, wenn Menschen schwer erkranken?
privat
24.05.2022

Die aus meiner Sicht dümmste Bemerkung in den fast zwei Jahren meiner Krankheit hörte ich von einem fernen Bekannten: „Krebs ist ja glücklicherweise mittlerweile fast immer heilbar.“

Was will er mir denn damit sagen, fragte ich mich einigermaßen sprachlos. Dass alles gar nicht so schlimm ist, dass ich relativ gesehen Glück habe mit meiner Erkrankung? Oder weiß er etwa mehr als ich?

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist in der empfindsamen Situation einer Krankheit auch gut zu hören. In Ratgebern und in Selbsthilfegruppen werden mittlerweile Hitlisten schwer erträglicher Bemerkungen erstellt.

„Die Kurzhaarfrisur steht dir richtig gut“

Vermeintliche Hoffnungssätze gehören häufig auf die schwarze Liste, etwa: „Auf Regen folgt Sonne“ oder „Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus“. Es kann tatsächlich nerven, von Optimismus überschüttet zu werden, wenn das Leben gerade anstrengend und elend ist.

Aber es kann eben auch anders sein. Eine Patientin erzählte im Rückblick auf ihr Leben, dass sie sich zur Zeit des Todes ihres kleinen Kindes nicht habe vorstellen können, jemals wieder ein gutes Leben zu haben. Sie habe damals viel Mitgefühl erfahren, viel Nähe im Dunklen, aber von einer Chance auf Zukunft habe kaum jemand gesprochen. „Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“, dieser rührselige Kalenderspruch ihrer Oma habe ihr dagegen richtig gutgetan. Manchmal ist es dann eben doch anders als man glaubt.  

Ziemlich harsch kritisiert werden in vielen Ratgebern Bemerkungen zum Aussehen nach der Chemo, etwa „Die Kurzhaarfrisur steht dir richtig gut“ oder gar: „Man sieht gar nicht, dass du Krebs hattest.“  Ich verstehe die Empfindsamkeit. Diese Aussagen zeigen wenig Verständnis für die tiefgreifenden Veränderungen durch die Krankheit, es kann sich anhören wie eine erleichterte Feststellung: Dann ist ja jetzt alles wieder gut.

In einem Blog wird daher als schlagfertige Antwort empfohlen: „Ich bin ja auch nicht im Gesicht krank.“ Persönlich finde ich diese Reaktion ziemlich schroff, das erschrockene Gesicht des Gegenübers mag ich mir gar nicht vorstellen. Selbst habe ich solche Komplimente sogar manchmal ganz gerne gehört, zum richtigen Zeitpunkt, wenn ich das auch so sehen konnte.

Auch kranke Menschen sind Einzelexemplare

Natürlich haben solche Listen mit Sätzen, die kranke Menschen nicht hören wollen, ihre Berechtigung. Es gibt Bemerkungen, die tatsächlich fast nie und von keinem wirklich gerne gehört werden. Aufforderungen und Ratschläge gehören dazu: „Nicht aufgeben, sondern kämpfen“ oder „Du musst positiv denken“. Selten tröstlich werden auch die beliebten Hinweise erlebt, was anderen geholfen hat und wem es noch schlechter geht.

Ansonsten gibt es einfach kein Patentrezept zum geglückten Umgang mit kranken Menschen, keinen allgemeingültigen Ratgeber, was man sagen soll und was nicht. Menschliche Kommunikation ist und bleibt ein Wagnis, in jeder Situation. Wir sind nun mal unverwechselbare Einzelexemplare, egal ob krank oder gesund, und entsprechend ist keine Bemerkung immer gut und richtig.  

Persönlich kann ich auch mit der unglücklichsten Bemerkung leben, wenn sie liebevoll gemeint ist. Was aus meiner Sicht aber gar nicht geht, ist sich aus lauter Rücksicht und Vorsicht lieber mal gar nicht zu rühren. Zu Recht steht auf fast allen Listen blöder Bemerkungen ganz weit oben: „Eigentlich wollte ich mich schon die ganze Zeit gemeldet haben…“ .

Anmerkung der Redaktion: Im  chrismon-Podcast "Sprachstunde" sprechen Chefredakteurin Ursula Ott und Karin Lackus über das so oft falsch benutzte Wort "Schulmedizin"

 

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