20.10.2010

An einem Unfallopfer, das wir nachts auf der Autobahn sehen, dürfen wir nicht achtlos vorbeifahren, ohne zu helfen oder Hilfe zu rufen. Das wissen wir. Doch es ist nicht Paragraph 323c Strafgesetzbuch ("Unterlassene Hilfeleistung"), der dies in unseren Herzen und Köpfen verankert hat. Prägende Wirkung entfaltete in unserem Kulturraum vielmehr Jesu Geschichte vom barmherzigen Samariter, sein Gleichnis zum Thema Nächstenliebe. Seine Botschaft ­ es ist etwas Schlechtes, mögliche Hilfe zu unterlassen ­ wurde zum Allgemeingut.

###autor###Auch andere zentrale Normen ­ "Du sollst nicht töten"; "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut" ­ sind uns eher in der klaren Sprache der biblischen Gebote vertraut als im Wortlaut entsprechender Gesetze. Unsere Zivilisation lässt sich eben nicht verstehen ohne eine gewisse Kenntnis jener biblischen Tradition, die sie so nachhaltig prägte. Weil unser Gemeinwesen seine geistigen Wurzeln pflegen muss, ist es in seinem ­ nicht nur im kirchlichen ­ Interesse, dass Schülerinnen und Schüler diese biblische Tradition in einem guten Religionsunterricht kennen lernen.

Das Grundgesetz garantiert in Artikel 7 den Religionsunterricht. Er soll von den Religionsgemeinschaften inhaltlich verantwortet werden. Gerade in Fragen der religiösen Bildung soll es nicht der Staat sein, der sagt, wo es langgeht.

Als einziges Flächenland ­ neben Berlin und Bremen, für die eine Sonderregelung gilt ­ kennt Brandenburg den kirchlich verantworteten Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach nicht. Stattdessen gibt es ein Pflichtfach "Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde" (LER). Schüler und Eltern, die beiden Kirchen und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil sie der Auffassung sind, dass die brandenburgische Regierung gegen die grundgesetzliche Garantie des Religionsunterrichts verstößt. In Kürze entscheidet das Gericht.

Keiner will der großen Mehrheit der konfessionslosen Kinder den Religionsunterricht aufzwingen. Leider wird dies wider besseres Wissen behauptet. Religionsfreiheit in der Schule muss heißen: Wer Religionsunterricht nicht will, kann ihn abwählen. Für ihn gibt es als Ersatzfach Ethik. Dies gilt heute überall. Wer Religionsunterricht bekommen möchte, soll ihn auch erhalten. Dies gilt heute nicht in Brandenburg. Kirchliche Angebote in den Schulräumen, aber außerhalb des Schulunterrichts, öffentlich gefördert zwar, aber in der Stundentafel stets benachteiligt, können das nicht ausgleichen.

Dass ein guter Religionsunterricht auch bei zahlreichen konfessionslosen Kindern auf Interesse stößt, zeigt sich in den anderen Bundesländern. Im Religionsunterricht lernen die Kinder die biblische Tradition authentisch, gleichsam aus erster Hand, kennen und nicht in der religionskritischen, mitunter religionsfeindlichen Einstellung des staatlichen Einheitsangebotes LER. Überzeugungen bilden sich aber nicht im Niemandsland der Gleich-Gültigkeit, sondern in der Begegnung mit einer gelebten Glaubensüberzeugung.

Dies tut auch unserem Gemeinwesen gut. Wenn erst einmal die meisten Jugendlichen glauben, der Arbeiter-Samariter-Bund sei nach einem großen Gewerkschafter benannt, haben nicht nur die Kirchen viel verloren.

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