Seelenruhe
Warum beten wir? Und hilft es?
Ein geflüstertes Danke, ein kurzer Blick in den Himmel oder gemeinsames Bitten im Gottesdienst. Beten hat viele Formen. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, aber vielleicht anders als gedacht
Warum beten wir? Und hilft es?
Lisa Rienermann
Tim Wegner
05.01.2024
3Min

Schmerzen, die sich immer noch steigern, Tränen, Schreie. Und dann, plötzlich, ein neues Leben. Die Geburt eines Kindes ist ein unglaubliches Ereignis. Es ist blutig, brutal und viel kann passieren. Nicht selten geht es um ­Leben oder Tod. Wenn dann aber ein gesundes Kind auf die Welt ­gekommen ist – wie groß ist dann die Dankbarkeit! Nach den Geburten ­unserer Kinder habe ich jedes Mal kurz die Augen geschlossen und "Danke" gesagt. So erinnere ich es zumindest. Vielleicht habe ich auch nichts gesagt, aber ­diesen Moment des inneren Sammelns und der Dankbarkeit, den gab es ganz sicher.

Zuerst gilt der Dank nach einer Geburt natürlich der Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat. Und den ­Ärztinnen und Hebammen und an­deren medizinischen Helfern. Als ­Vater kann man ja nicht viel tun. Und trotzdem war mein erstes "Danke" nicht an das menschliche Personal gerichtet. Aber auch nicht unbedingt an einen Gott, es war eher einfach in die Welt gesprochen.

Wenn ich darüber nachdenke, um was es mir dabei ging, dann wohl am ehesten um mich selbst. Dieses überwältigende Erlebnis und die überbordenden Gefühle mussten irgendwie ausgedrückt werden. Die Seele beruhigt. Dieser Dank ist eine ganz typische Form des Gebets. Die reli­gionswissenschaftliche Forschung hat herausgefunden: Im Gebet deutet die betende Person große Ereignisse, ­schöne oder schlimme Erfahrungen oder einfach das große Geheimnis, das das eigene Leben trotz aller natur­wissenschaftlichen Erkenntnisse bleibt.

Ein Gebet sollte nicht dazu führen, dass die Gemeinde sich anschließend zurücklehnt

Auch Psychologen haben das ­Beten untersucht. Der Psychologe und Theo­loge Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Welt­anschauungsfragen sagt, im ­Gebet werde die Aufmerksamkeit auf ­etwas gerichtet, was größer ist als die eigene kleine Welt. Deshalb trage regelmäßiges meditatives Beten zur Seelenruhe bei und diene der Gesundheit.

Die kleine Welt des Kreißsaals bei so einer Geburt ist zwar wichtig für das Gelingen, aber auch unter den besten Voraus­setzungen kann etwas schiefgehen. Dass am Ende ein neues Leben glücklich auf dieser Welt ist, hängt auch mit etwas Größerem, mit Schicksal, Glück oder göttlicher ­Fügung zusammen – je nachdem, wie man es nennen will. Der Sinn des Gebets ist also zum einen, innere Ruhe zu finden, sich auf sich selbst zu konzentrieren und anzuerkennen, dass das Leben auch ein Stück weit unverfügbar ist. Darin ist es der Meditation oder dem staunenden, ehrfürchtigen, dankbaren Innehalten nicht religiöser Menschen ähnlich. Das zeigt sich auch in einem schönen alten Ausdruck, den man für das Beten verwenden kann: Andacht halten.

Aber es gibt noch andere Formen des Gebets. Gebete, die wirklich eher eine Anrede, eine Zwiesprache sind. Im Gottesdienst haben die Fürbitten ihren festen Platz. Das sind meist vorgetragene Bitten, auf die die Gemeinde mit einem Gebetsruf wie zum Beispiel "Herr, erhöre uns" antwortet. Damit wird noch mal die Hoffnung sehr deutlich gemacht, dass die Bitten Wirklichkeit werden. Dennoch: Die meisten Beter und Beterinnen werden nicht davon ausgehen, dass Gottes Hand vom Himmel fährt und den Lauf der Welt ändert. Ein Gebet ist also etwas anderes als eine magische Beschwörung.

Wenn wir um Frieden in der Ukraine beten, sagen wir damit: Es ist uns wichtig, dass dieser Frieden kommt. Und wir hoffen, dass diese Welt sich so verändert, dass dieser Frieden möglich ist. Ein Gebet sollte nicht dazu führen, dass die Gemeinde sich anschließend zurücklehnt und "den lieben Gott machen lässt" – auch wenn sicher mancher darauf setzt.

Lesen Sie hier, wie man andere segnen kann

Nach den Fürbitten folgt im Gottesdienst oft das Vaterunser. Dann heißt es: "All die Bitten, die uns noch auf dem Herzen liegen, all das, wofür uns die Worte fehlen, legen wir in das eine Gebet, das uns Jesus Christus gelehrt hat." Manchmal wissen wir gar nicht, um was es uns im Gebet geht, unsere Gefühlswelt und Gedanken sind nicht selten diffus. Dann können Christen zum Glück auf solche alten Formen zurückgreifen – um die Seele zu be­ruhigen und sich zu vergewissern, was wichtig ist.

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Danke kann ich auch sagen und dankbar sein auch. Dazu benötige ich kein Gebet. Meine Kundinnen haben auch Danke zu mir gesagt
und das finde ich einfach weltlich schön.
Warum soll ich einen Gott mit einem Gebet belästigen, wenn ich mein Ziel allein und ohne andere Hilfe erreichen kann?

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Mit Matthäus 21,18-22 ist alles genau erklärt.

Also, erst wenn wir das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch gottgefällig gestalten, in einem globalen Gemeinschaftseigentum "wie im Himmel all so auf Erden" OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, dann werden Glaube und Gebet wirksam.

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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Sacher,
die Erläuterung zum Gebet Ihres Redakteurs, von Ihnen, Herr Sacher, hat mich erschüttert.
Gebet ist keine egomanische Selbstbeweihräucherung zum Entdecken der inneren Mitte. Christen leben unter der Voraussetzung "etsi deus daretur"! Wer Danke sagt nach einer Geburt, einer Heilung, einer Fügung, wendet sich immer an Gott, auch wenn er "nicht religiös" ist. Gebet, so wie es die Bibel und besonders das Neue Testament versteht, ist grundsätzlich Zwiesprache mit Gott mit der Anrede an ein Du (Buber) nach der biblischen Regel: Betest Du, dann redest Du mit Gott, liest Du, dann redet Gott mit Dir. In Lob und Dank, in Klage und Bitte wendet sich der und die betende an Gott, in der Hoffnung, dass er das menschliche Leben nach seinem Willen wenden möge. Das ist keine magische Beschwörung. Vielleicht sollte man mal zur Abwechslung etwas Weiterbildung mit der Bibel versuchen? Man kann das christlich verstandene Gebet unter der Überschrift: Religion für Neugierige nicht nach Belieben entdeuten.

meint
Paul Geiß
Berlin

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Sehr geehrte Damen und Herren!
Warum wir beten, das kann ich nicht beantworten!
Ich kann jedoch ganz kurz beschreiben, weshalb, warum und wieso ich bete!
Mir hilft das Beten oder was man auch darunter verstehen kann, will oder möchte.
Beten befreit und entlastet mich, es ist für mich, wie eine Art von Ventil, das ich auf Bedarf öffnen kann, um meinen angestauten Überdruck abzulassen und dabei gleichzeitig Frischluft zu tanken.
Ich bete natürlich auch, um immer wieder Danke zu sagen!
Ihr Klaus P. Jaworek
Büchenbach

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Das Gebet ist eine der ältesten und überall durchgeführten Handlungen der Menschheit. Im Gebet liegt ein Geheimnis; ich selbst tue es, es ist aber so privat, dass es tatsächlich nur Gott und mich etwas angeht. Gerade das macht es so besonders. Es erfüllt im doppelten Sinne- die Seele und manche Bitten- eingebetet in der Gnade des Herren. Das Gebet ist oft auch das letzte, was wir sprechen, bevor wir zu Gott gehen. Es ist oft nicht niedergeschrieben, hinaus in die Welt gesagt und mit den Tönen der Luft verschwunden, aber der Geist des Gebetes, jedes einzelnen, bleibt fest in der Welt. Es steigt auf zu Gott, um seine wunderbare Mission zu erfüllen.
Thomas Fix
Frankfurt

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Ein Gebet für eine bessere und friedliche Welt - ist auch eine Erinnerung an uns selbst - an die Vernunft des Guten zu Glauben.
Das allein reicht nicht aus - die seelische und körperliche Belastung braucht die sinnliche Erholung um in der Natur ein Waldbad zu nehmen.
Der ganzheitliche Ansatz von der Integration mit Körper , Geist und Seele schafft Heilung und Sinn auf Dauer.
Thomas Bartsch
Hamburg

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Bin immer wieder erstaunt, wie in dieser Rubrik geschrieben wird, ohne auf die Möglichkeiten einer ernsthaften, innere Beziehung zu dem lebendigen, wahrhaftigen Gott einzugehen. Was soll mir eine „Religion für Einsteiger“ bringen, wenn nicht die Gegenwart der Liebe Gottes vermittelt wird, die in einer geheilten Beziehung zu ihm durch Annahme des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus liegt? Stattdessen wird das „auf sich selbst konzentrieren“ (eine Selbsterhöhung?) als Sinn des Gebets dargestellt. Da sind wir doch beim Sündenfall und Adam angelangt! So eine Aussage stellt für mich das lebendige Gegenüber Gottes in Abrede. Sinn des Gebetes ist doch eher, mit diesem lebendigen Gott als Gegenüber zu sprechen, ihm für seine Zusagen zu danken, unsere Sorgen vorzubringen und um Hilfe für Problemlösungen zu bitten. Schließlich sollte ein „Evangelisches Magazin“ in dieser zentralen Rubrik auch die biblische Basis des Evangeliums vermitteln können.

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