War der auferstandene Jesus ein Zombie?
Unheimlicher Besucher
Die Bibel lehrt, dass Jesus von den Toten ­auferweckt wurde. Für Kinder ist klar: Er ist ein Zombie.
So stellt sich der Sohn der Autorin vor, wie ein Zombie den Stein vor seiner Höhle wegschiebt und herauskommt
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Kirsten DietrichPrivat
08.04.2019
7Min

Ich stell’ mir vor, dass Jesus im Grab lag und dann ­vielleicht die Leiche ein bisschen heller wurde, und dann würde er aufstehen – und ist wieder ­Jesus. Der normale." So erklärt der neunjährige Georg die biblische Auferstehung. Allerdings mit einer erstaunlichen Pointe: "Wie ein Zombie quasi, bloß nicht bösartig."

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Kirsten Dietrich

Kirsten Dietrich ist evangelische Theologin und ­arbeitet als Journalistin in Berlin. Ihr neunjähriger Sohn Georg brachte sie auf die Idee zu dieser Geschichte, weil er Jesus als ­Zombie zeichnete.

Zombies sind überall. Fast als wäre die Vision des bahnbrechenden Films "Night of the Living Dead" von George A. Romero Wirklichkeit geworden: Langsame, seelenlose Gestalten tau­meln ein bisschen tumb überall herum, wo Geschichten und Bilder erzeugt werden. Zombies bevölkern die Kinoleinwände und Bildschirme mit Serien wie "The Walking Dead". Sie treiben ihr Unwesen in Computerspielen – bei "Pflanzen gegen Zombies" bekämpft man sie mit schießenden Erbsen – und in Kinderbüchern vom "Zombie-Zahnarzt" bis zu "Mein Leben mit Zombies und Kürbisbomben".

Kein Wunder also, dass die Gruselwesen auch im Religionsunterricht auftauchen. "Viele Kinder sind eher befremdet, wenn ich von der Ostergeschichte erzähle", berichtet eine Berliner Religionslehrerin. "Bis sie dann sagen: Jetzt hab ich’s kapiert, ­Jesus ist ein Zombie!" Für Kinder sind Zombies selbstverständlicher als die christliche Auferstehung, die auch vielen Erwachsenen Kopfzerbrechen bereitet.

Hollywood entdeckte den Zombie neu

Unter dem Stichwort "Zombie ­Jesus" bietet das Internet eine Fülle an kleinen Filmen, sogenannten ­Memes, in denen mit viel Liebe zum Blut und Chaos der Zombiefilme die biblischen Texte ganz wörtlich ge­nommen ­werden. Da war also einer tot, wurde begraben, am dritten Tag war die ­Leiche verschwunden, aber der Be­grabene bewegte sich wieder unter den Menschen – und hatte die auch noch gelehrt, seinen Leib zu ­essen und sein Blut zu trinken: Das lässt doch nur einen Schluss zu . . . Aber ist es wirklich so abseitig, die Ostergeschichte als Zombie-Erzählung zu sehen? Die ­Untoten haben mehr mit Auferstehung zu tun, als man auf den ersten Blick denken würde.

Allerdings muss man dafür den Horror und Grusel zur Seite räumen, der sich um die Untoten sammelte, als sie im Westen, vor allem von Holly­wood, entdeckt wurden. Die Filmindustrie fügte dem ­Zombie-Mythos Elemente hinzu und machte aus den Untoten furchtbare Gegner der aufrechten Helden. Erst nachdem Regisseur George A. Romero die Zombies 1968 mit dem legen­dären "Night of the Living ­Dead" neu er­funden hatte, wurden die Zombies zu seelenlosen Untoten, die ohne ­weitere Bedenken getötet werden müssen – am besten durch einen Kopfschuss.

Hollywood entdeckte seinen Zombie-Mythos auf Haiti, in den vielfäl­ti­gen und nicht leicht auf einen Nenner zu bringenden religiösen Glaubens­überzeugungen der schwarzen Bevölkerung, des Voodoo. Im 17. und 18. Jahrhundert beuteten fran­zösische Herrscher die Karibikinsel brutal aus. Sie verschleppten un­zählige Menschen vor allem aus Westafrika nach Haiti und schindeten sie dort unter äußerst grausamen Be­dingungen in den Plantagen zu Tode. Der Freitod schien vielen Versklavten eine erlösende Alternative zur täglichen Qual zu sein. Viele nahmen sich das Leben.

Am Anfang stand die Sehnsucht

Die Sehnsucht, in das ursprüngliche, freie Afrika ohne Sklaverei zurück­kehren zu können, verband sich mit der christlichen Erlösungshoffnung – aus der Religion der Herrschenden. Es entstand ein Schreckensbild: Wer sich selbst tötet, gelangt nach seinem Tod nicht ins erlösende Jenseits. Er wird zum Zombie. Wer sich in ­diesem Zustand befindet, kann nicht von den Toten auferstehen und ist stattdessen verdammt zu ewiger Sklavenarbeit. "Zombies sind lebende Tote, die für ihren Meister arbeiten", sagt die Religionswissenschaftlerin Kathrin Trattner von der Universität Graz. Nicht der Untote greift die Lebenden an. Sondern der Zombie-Mythos spiegelt den ultimativen Angriff auf die Menschenwürde durch Sklaverei wider.

Haitinischem Volksglauben zufolge sind Zombies von Zauberern beherrschte Untote. Dieser wartet in einer Zuckerrohrplantage

Dieser Zombie-Mythos wirkte fort, auch nachdem sich die Bewohner ­Haitis 1804 in einem Aufstand von der Sklaverei befreit hatten. Er löste sich von der unmittelbaren Erfahrung der Sklaverei, auch wenn diese als Hintergrund des Mythos immer präsent blieb – vor allem in der Angst, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren. Mit der Vorstellung des ­Zom­bies ließ sich nun auch religiös über die Grenzen von Leben und Tod, von Diesseits und Jenseits nachdenken.

In dieser Grenzüberschreitung sah vor allem Hollywood ein großes Potenzial. Mit dem Zombie kommt jemand – oder auch etwas – zurück, das eigentlich schon tot war und auch tot sein sollte. Etwas, das nicht fremd aussieht, aber alle Ängste von Entfremdung und Fremdbestimmung verkörpert. Es ist kein Zufall, dass der Zombie seinen neuen Boom in der Popkultur kurz nach der Jahrtausendwende erfuhr – als unter anderem die globalisierte Wirtschaft die über­kommene Ordnung zu erschüttern schien. Der Zombie ist das Monster der Veränderung.

Uralte Ängste

Die Angst, dass die Grenze zwischen Leben und Tod verwischt wird, ist uralt. Viele Begräbnisrituale in Europa sind entstanden, um sicherzugehen, dass der oder die Tote nicht zurückkommt. So soll eine Leiche mit den Füßen voraus aus dem Haus getragen werden, damit sie keinen sehnsuchtsvollen Blick zurück werfen kann. Zombies würden widerspiegeln, dass diese Grenze nicht ganz so fest ge­zogen ist, wie wir uns das wünschen, sagt die Religionswissenschaftlerin Kathrin Trattner. "Was ins Jenseits gehören sollte und ins Diesseits ­wiederkehrt, stellt immer eine Überschreitung dieser Grenze und in­sofern eine Gefahr dar."

Bis zur Moderne war diese Ver­unsicherung in christlich geprägten Kulturen aufgehoben im Glauben an die Auferstehung. Untote, Zombies, Geis­ter – solche Zwischenwesen kennt die christliche Lehre nicht. Sie spricht von der "Auferweckung in Christus". Von dem Apostel Paulus erfährt man, dass sich offenbar schon in den christlichen Urgemeinden Menschen mit dieser Vorstellung schwertaten. "Wie sagen einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?", heißt es im Ersten Korintherbrief 15,12. Selbst die Jüngerinnen und Jünger Jesu fürchteten sich erst einmal und ­waren ratlos, bevor sie sich über den Auferstandenen freuen konnten. "Man muss bereit sein, sich schockieren zu lassen, bevor man sich freuen kann", sagt der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies. "Die neutestamentlichen Textzeugen waren der Ansicht, dass Jesus von Nazareth ein jüdischer Mensch war, und dass er gleichzeitig den Gott Israels zum Ereignis machte. Und das löst ­Schrecken aus." Weil Jesu Auferstehung eine doppelte Grenzüberschreitung markiert: zwischen Tod und Leben – und zwischen Gott und Mensch.

Schwer zu verstehen - auch früher schon

Vor allem die Vorstellung, dass die Auferstehung eine körperliche Angelegenheit sein soll, bereitete den Menschen große Probleme, auch in der Antike. "Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib", heißt es im Ersten Korintherbrief 15,44. Der auferstandene Leib soll zwar "geistlich" sein, aber eben: ein Leib. Deshalb habe der Kirchenvater Augustinus im 5. Jahrhundert über eine besondere Form von Materie nachgedacht, sagt Chris­toph Markschies. Auch die Engel in Gottes Nähe würden daraus bestehen und alle Auferstandenen, vermutete Augustinus. Ein schwacher Nachhall davon findet sich in Karikaturen, in denen jüngst Verstorbene mit Engelsflügeln auf der Wolke sitzen und die Harfe schlagen.

Dieses Bild ist weit entfernt von der rohen Körperlichkeit der Zombies in den zeitgenössischen Filmen. Die Seele der Untoten befindet sich in den ­Händen eines manipulativen Hexenmeis­ters oder ist gleich irgendwo verloren gegangen, es bleibt die nackte Gier.

Eine andere populäre Vor­stellung vom Leben nach dem Tod ist die Seelen­wanderung, an die auch zahlreiche Christen glauben. Dafür ist ­eine wie auch immer geartete geistige Essenz des Lebens das einzig Entscheidende. Diese Seele sucht sich den Weg in ein neues Leben – entweder als Reinkarnation auf der Erde oder in einer Art himmlischem Kaffeekränzchen mit verwandten und befreundeten Seelen an Gottes Tafel.

Eigentlich sympathisch, der Zombie

Weder die Zombie-Variante noch die Hoffnung auf eine Seelenwanderung sei wirklich befriedigend, sagt der Berliner Theologe Rüdiger Sachau. Denn auch bei der Seelenwanderung werde die Auferstehung allein vom Menschen her gedacht, letztlich als Fortführung des vorherigen Lebens, nur besser und schöner. Das weckt fast ein bisschen Sympathie für den Zombie, der sich solchen Anfällen von Selbstoptimierung resolut wider­setzt.

Vielleicht ist es also gar nicht die fehlende Seele, an der die Verknüpfung von Auferstehungsglaube und Zombie-Mythos scheitert. Denn die Vorstellung einer Seele gab es auch im Christentum nicht von Anfang an. Die frühen Theologen haben sie aus der Philosophie ihrer antiken Umwelt übernommen.
Dem Zombie fehlt etwas anderes: die Hoffnung. Er kehrt aus dem Reich der Toten wieder und schaut zurück in die Vergangenheit. Er ist dazu verdammt, ein bedrückendes Erdenleben noch einmal zu leben. Er entkommt dem Schrecken nicht.

Tröstlicher Gedanke

Christen, die an die Auferstehung glauben, schauen in die Zukunft. Das Versprechen, mit dem Tod sei nicht alles zu Ende, ist ein Trost, mit dem es vielen leichterfällt zu sterben. Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Theo­logen intensiv an neuen Bildern für diese Hoffnungsvision arbeiten. Die mittelalterlichen Bilder vom Gräberfeld, auf dem die Toten aus dem Grab steigen, bis zur himmlischen Wolke, auf der die Engel sitzen, hat offen­kundig der Zombie kassiert.

Rüdiger Sachau schlägt vor, die Auferstehung als ein Beziehungsgeschehen zu verstehen. "Eigentlich ist es ja eine Auferweckung", sagt er. "Ich stehe ja nicht von mir aus auf, sondern nur weil Gott es gut mit mir meint und weil ich eine Hoffnung habe, dass der Tod nicht das letzte Wort ist." Für diese Auferweckung, für diese Beziehung ist allein das Vertrauen in Gott entscheidend. In diesem Veständnis kehrt das Vergangene nicht wieder noch lebt es als geistlich-abstrakte Seele weiter. Sondern die Menschen hoffen auf etwas grundlegend Neues, auf eine neue Schöpfung. Die Zukunft ist offen. Viele tröstet das.

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