Popstar Luther
Streit ums Jubiläum? Zoff schadet der Sache nicht, hätte der Reformator gesagt
Lena Uphoff
03.05.2017

Er hätte sich das Maul zerrissen und vermutlich einen Kropf gelacht. Und dann hätte er ­seinen Freund Schorsch, den fränkischen Handwerkersohn, angemailt: „Junge, die machen
mich zur Popfigur. Mich! Und dieser ganze Rummel! Muss das denn sein?" Und Georg Burkhardt aus Spalt bei Nürnberg hätte zurückgemailt: „Martin, das ist doch klasse. Ist doch ganz in deinem Sinn. Luther – der Popstar! Du weißt doch als ­alter La­teiner, was ‚Pop‘ be­deutet. Das Volk auf der Straße soll mitkriegen, was sich durch deine Sache mit Kirche und ­Bibel verändert hat."

Na ja, der Schorsch. Tschuldigung! Er heißt ja jetzt „Spalatin", weil er aus Spalt kommt. „Spalter" wäre auch ein blödes Pseudonym für den Kanzleichef des sächsischen Kurfürsten gewesen. Also: Der denkt die Geschichte auch nach 500 Jahren noch politisch. Die PR mit der Reformation ist ja kein Selbstzweck. Auch 2017 nicht.

Damit hatte er damals auch seinen Chef, Friedrich den Weisen, überzeugt: Wenn die Papstfreunde unter den Fürsten öffentlich geschwächt werden, stärkt das die Landesherren, die ihr eigenes Ding machen wollen.

Ich versuche, mir vorzustellen, wie Martin Luther auf den ganzen Wirbel um das Reformationsjubiläum 2017 reagiert hätte.

Ich glaube, er hätte den Rummel nicht völlig abgelehnt, persönlich aber für nicht so wichtig gehalten. Den Streit um den richtigen Umgang mit dem Jubiläum zwischen Theologen, Historikern und Journalisten ­hätte er jedoch mit erfreutem Grinsen registriert. Die einen sagen, an­gesichts seiner Hasstiraden gegen Juden und Bauernkrieger sei es unmöglich, seine 95 Thesen und seine Bibelübersetzung überhaupt zu feiern. Die anderen: Erinnerung sei doch gar nicht unkritisch. Man betrachte doch nur, welch großes Gewicht in Ausstellungen, medialen Äußerungen und Gottesdiensten Begriffe wie „Versöhnung" oder „Ökumene" hätten.

Wie in den „Tischreden" beim Abendessen mit Gästen aus aller Herren Länder in seinem Witten­berger Haus hätte Luther ausgerufen: „Die Geister lasset aufeinander prallen,
die Fäuste haltet still!" Streit muss sein! Sein Kumpel Philipp Schwartz­erdt, den wir nur als „Melanchthon" kennen (die altgriechische Übersetzung des Nachnamens), hätte ihm zugeraunt: „Aber bitte nicht so heftig und in kultiviertem Ton!"

Was Luther im Marburger Religionsgespräch mit seinem Züricher Kollegen Ulrich Zwingli so abgelassen hat, wäre Trump-Twitter up to date. Der hessische Landgraf Philipp hatte im Abendmahlsstreit zum Gespräch gebeten. Und Luther wünschte sich, dass die Debatte auf Deutsch geführt werden sollte und nicht im Theo­logen-Latein.

Deutsch! Das bedeutete – wie heute
– in Zürich was völlig anderes als in Wittenberg. Schwyzerdütsch! Hässlich, unverständlich, blöde! ­Für Luther ein Grund, über den Züricher Kollegen abzulassen: „Spar dir doch dieses blöde Bauerndeutsch, bis du wieder bei deinen komischen Schweizern bist!" Martin Bucer aus Straßburg, der zusammen mit ­Melanchthon zwischen den beiden zu vermitteln versuchte, nannte das Treffen sarkastisch ein „colloquium tumultuarium".

Also: Zoff um das richtige Ge­denken, das angemessene Feiern und Erinnern in Sachen Reforma­tion 2017 sind „lutherisch" im besten Sinne. Ich freue mich schon darauf, mit Freundinnen und Kollegen nach
dem Besuch der drei „Hammer-­
Ausstellungen" auf der Eisenacher Wartburg, in Wittenberg und Berlin bei einem Gläschen oder Tässchen
ein paar Schmetterbälle über den Tisch zu hauen. Sorry, Schorsch! Tschuldige, Philipp! Ulli, das musst du aushalten! Und versuch mal, anständiges Deutsch zu reden!

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Er hätte sich auf jeden Fall positioniert. Und zwar an der Spitze der Theologen. Denn mit dem "was Christum treibet" hat dieser Kirchweihrummel nix zu tun. Das Merchandising versucht den Ablass zu reanimieren. Und die EKD-Spitze arbeitet auf eine Hierarchisierung und Re-Katholisierung zu.
Nein. Luther wäre in der Ausser-Synodalen-Oppostion. Und der "linke Flügel der Reformation" erst recht. Aber der ist ja innert 10 Jahren Reformationsjuiläum emmsig unter den Teppisch gekehrt worden.

Die Kanzeln vor Ort und besonders die Kommentarkanzeln in den Medien gleichen immer mehr grün/roten Parteitagen. Es ist ja auch zu verlockend, den klimatischen Mainstreamvorgaben kritiklos zu folgen, wobei 2 gleichförmige Kurven immer noch keinen wissenschaftlichen Beweis machen. Keine Frage, der zivilisatorische Raubbau ist verbrecherisch. Die tägliche Vernichtung von Lebensmitteln (angebliche Mindesthaltbarkeit!) erst recht. Dazu ein tägliches Wort der Kanzeln wäre gut. Ich habe noch nie gehört, dass jemand den lieben Gott für all diese Verwerfungen verantwortlich macht. Und vom Bibel-Satz: „Machet Euch die Erde untertan“ haben sich deshalb auch schon lange alle verabschiedet. Da drängt sich mir ein ganz anderer Verdacht auf. Nachdem weitgehend Erbsünde und Hölle als Drohkulisse ausgedient haben, wird die Kanzel jetzt von Bioland- und Klimaaposteln benutzt, um eine neue Wohlstandserbsünde- und Zivilisations-, bzw Klimahölle als unsere Schuld für uns und unsere Nachkommen zu konstruieren. Das würde dann auch die religiöse mahnende Stimme zur Abhängigkeit von einer religiös untermauertem grün/roten Heilserwartung erklären. Ein neuer Luther müßte vor allen Dingen an diesem Ast sägen, damit Gottes unbegreifliche Hilfe wieder täglich aktenkundig wird. Wozu eine Religion und deren Kanzel doch alles herhalten muß!

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