Michael Ondruch
Feiern und Erinnern
Die Bayern bekommen auch in diesem Jahr wieder vier gesetzliche Feiertage mehr als die mehrheitlich evangelischen Nordländer . . .
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
30.12.2014

Wenn Katholiken feiern, dann ist was los. Zu „Heilige Drei Könige“ laufen Kinder als die Weisen aus dem Morgenland verkleidet von Tür zu Tür. „Gott segne dieses Haus“, schreiben sie über die Eingänge. An Fronleichnam, zehn Tage nach Pfings­ten, ziehen bunte Prozessionen durch die Dörfer, Priester tragen geweihte Hostien unter prächtigen Baldachinen. Mitte August an Mariä Himmelfahrt sammeln die Frauen Kräuter und lassen sie in der Messe weihen. Oder die Priester reichen ihnen Rosen am Kirchenausgang. Und an Allerheiligen (am Tag vor Allerseelen) versammeln sich Familien auf den Friedhöfen und stellen Kerzen auf die Gräber. 

Protestanten haben nicht nur sämtliche Marien- und Heiligenfeste aus ihrem Kalen­der gestrichen. Ihre Feste sind auch  – so scheint es – eher freudlos: Am Reformations- und am Buß- und Bettag kann man sich die Predigt in der Kirche anhören. Oder man bleibt gleich zu Hause. Draußen ist es ohnehin meist nass und kalt. Auch zu Epiphanias am 6. Januar, wenn katholische Kinder als Heilige Drei Könige herum­laufen, fällt den Evangelischen nicht viel ein. Wer die Sache so sieht, wundert sich kaum, dass der Buß- und Bettag 1994 als bundesweit geschützter Feiertag gestrichen wurde – ohne dass die evangelischen Kirchen allzu viel dagegen einzuwenden hatten. Es fehlt das Feierliche, das den Tag aus dem Einerlei des Alltags heraushebt. Viele meinten, sie müssten lediglich einen ­ Mittwoch im Jahr mehr arbeiten, das ­nahmen sie in Kauf. – Nur die Sachsen unter Kurt Biedenkopfs Regierung hielten am Feiertag fest. Auch bayerische Schüler haben am Buß- und Bettag bis heute frei.

Protestanten haben weniger Feiertage als Katholiken. Pastor Henning Kiene vom Kirchenamt der EKD stört das überhaupt nicht. Er erläutert die theologische Ursache und erklärt, warum Protestanten weniger bunt feiern.
Doch man kann die Sache mit den ­Feiertagen auch anders sehen. Acht von elf bundesweit geschützten Feiertagen sind sowohl katholisch als auch evangelisch. Heiligabend ist für Christen aller Konfessionen ein Familienfest mit Kerzenduft, Engelsfiguren, geschmückten Tannenbäumen, Geschenken, Krippenspiel. Brauchtum gibt es an diesem Tag zuhauf, egal welcher Glaubensrichtung man angehört. Die Adventszeit mit den Weihnachtsmärk­ten und Lichterkränzen verlängert die Feststimmung sogar nach vorne.

Feiertage strukturieren das Jahr

Auch Ostern kann man als Protestant festlich begehen: früh um fünf aufstehen, im Morgengrauen zur Kirche gehen und die Osternachtsfeier besuchen, anschließend ein ausgedehntes Frühstück mit Osterzopf und bemalten Eiern genießen – im Kirchgemeindehaus oder daheim. Überhaupt bieten sich alle zweitägigen christlichen Hauptfeste (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) für Ausflüge und Verwandtenbesuche an. Protestanten können auch feiern. Sie tun es vielleicht nicht so häufig und so üppig wie Katholiken. Feiertage helfen, bestimmte Themen zu verinnerlichen, so sagt es der katholische Theologe und Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti: das Totengedenken zum Beispiel, auch den Jahreswechsel. Und wo man sie mit Ritualen verbindet, stellen sich die Leute an Feiertagen in die lange Kette derer, die diese Feste schon in früheren Zeiten so gefeiert haben – und derer, die sie eines Tages vermutlich ebenso feiern wie wir heute.

Im Protestantismus geht es aber noch um etwas anderes. Sich ständig selbst zu prüfen, ob man noch den hohen Maß­stäben der ersten Christen genüge – das hatten die Reformatoren gefordert. An die Stelle der Traditionspflege in der Reli­gion solle das Studium der Heiligen Schrift treten. Seither pflegt man nicht mehr die Tradition, man hinterfragt sie.

Die Feierkultur hat mit Verlangsamung zu tun, sagt Becker-Huberti. Während Arbeits­­tage sich kaum voneinander unter­scheiden, strukturieren Feiertage in der Erinnerung das Jahr: der verregnete Oster­spaziergang, die Überraschung beim Familientreffen an Pfingsten, die Vorfreude auf den Nikolaustag, die aus dem Ruder gelaufene Neujahrsparty. All das kennen Protestanten auch. Aber sie verbinden es weniger mit ihrer religiösen Praxis. Wohl auch deshalb schneiden – wenn es um den Erhalt gesetzlicher Feiertage geht – die Katholiken am Ende besser ab.

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Wenn er es nicht in seiner Ausbildung gelernt haben sollte, hätte Burkhard Weitz nur in einen Lexikon-Artikel (z.B. den Wikipedia-Artikel "Heiligenkalender" mit den Links zu "Evangelischer Heiligenkalender" und "Ökumenisches Heiligenlexikon") zu schauen brauchen, um zu erfahren, dass Protestanten nicht „sämtliche Marien- und Heiligenfeste aus ihrem Kalen­der gestrichen“ haben. Das „Evangelische Gottesdienstbuch“, die Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, verzeichnet unter den Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres 12 „Tage der Apostel und Evangelisten“ (S. 412) sowie vom 26. Dezember („Tag des Erzmärtyrers Stephanus“) bis zum 1. November („Gedenktag der Heiligen“) 12 weitere „unbewegliche Feste und Gedenktage der Kirche“ (S. 416-439). Das gleiche tun die Liturgischen Kalender in vielen Ausgaben des „Evangelischen Gesangbuchs“, z.B. Bayern S. 1588-1597. Dass viele Pfarrer und Gemeinden diese Tage nicht mehr (be)achten, ist traurig, heißt aber nicht, das hätten „die Reformatoren gefordert“. Wie kann man „Einsteigern“ weismachen: „Seither pflegt man nicht mehr die Tradition“! Statt vieler historischer Belege, die das Gegenteil nachweisen, genügt ein Verweis auf Artikel 21 des Augsburger Bekenntnisses, das bis heute Bekenntnisgrundlage lutherischer Kirchen und Gemeinden ist: „Vom Heiligendienst wird von den Unseren so gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll...“
Wieso Protestanten „so selten frei“ haben, ist eine ganz andere Frage, eine Frage der staatlichen Gesetzgebung.

Einen evangelischen Heiligenkalender gibt es offiziell nicht. Das ist die Erfindung eines Professors. In der evangelischen Theologie wird die Heiligenverehrung mehrheitlich als unbiblisch abgelehnt und kritisiert, dass die Verehrung von Menschen und die Anbetung Gottes vermischt werde.

Eine Anrufung der Heiligen wird bis heute strikt abgelehnt, denn es ist nur ein einziger Versöhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und den Menschen,
Jesus Christus. Tscha! So ist es!

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Zitat aus dem Artikel: "Die Bayern bekommen auch in diesem Jahr wieder vier gesetzliche Feiertage mehr als die mehrheitlich evangelischen Nordländer". Heißer Tipp: In die bayerische Stadt Augsburg ziehen! Da gibt es noch einen hochoffiziellen (Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Feiertagsgesetz) Feiertag mehr, nämlich das "Augsburger Hohe Friedensfest" am 8. August. Nicht nur Nordlichter, sondern auch gestandene Bayern schauen jeweils verblüfft aus der Wäsche, wenn sie plötzlich alle Läden geschlossen vorfinden, obwohl doch Werktag ist. Ursprünglich als protestantischer Kampffeiertag eingeführt (die konfessionelle Parität war zwischenzeitlich verloren gegangen und dann wiedergewonnen worden), wird heute selbstverständlich ökumenisch gefeiert. Der Normalaugsburger weiß sowieso nicht genau, was da los war, irgendwas mit Dreißigjährigem Krieg und so. Also erst sich auf Befehl von oben und glaubensmäßig unterfüttert die Schädel einschlagen. Wenn dieser Krieg dann nicht mehr aktuell ist, weil andere zu führen sind, kann es feierlich werden und es springt sogar ein arbeitsfreier Tag raus. Da soll noch jemand an den segensreichen Wirkungen der Religion zweifeln!

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Kein einziger Protestant beschwert sich darüber, dass am 6. Januar überall "Heilige Drei Könige" gefeiert wird. Auf jedem Kalenderblatt steht es rot eingedruckt. Dabei handelt es sich um das Erscheinungsfest. "Erscheinung des Herrn" am 6. Januar!

Bitte alle Kalender korrigieren!

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Sie wollen arbeiten.

Die Protestanten haben so wenig frei, weil sie arbeiten wollen (frei nach Calvin!).
Katholiken nutzen weltweit, und nicht nur in Bayern, vorzugsweise auch Feiertage zur religiösen und weltlichen Feier.
Das Wirtshaus steht nicht umsonst neben der Kirche und die Prozessionen in Spanien und Italien sind ein Fest für alle.
Der Ernst des Daseins zwingt dagegen die Protestanten zur Enthaltsamkeit.
Zum Glück nicht alle und wesentlich weniger als früher. Aber immer noch zu viele. Das steckt im Land.
Der Norden ist für seine Schwermut, der Süden für seine Lebensfreude bekannt. Evangelische Schützenfeste gegen katholischen Karneval.
Den Protestanten ist zu wenig (außer den Staat) wirklich heilig was zu verteidigen wäre.
Sie geben als besonders Friedfertige bei Belastung immer gern nach. Das gilt nur für die Religion.
Deshalb wurde auch der Feiertag für ihren einzigen eigenen Schutzpatron Luther (>>Reformationstag, der die Welt veränderte) ohne markanten Widerstand geopfert.
Außerdem tragen sie mit wahrer Hingebung für die ganze Welt die gesamte Verantwortung.
Mit anderen Worten, sie haben es nicht anders verdient.

Wer sich getroffen fühlt, ist nicht gemeint.

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