Konfirmationszeit - aber wo bleibt das Gruppenfoto?
Tim Wegner
20.05.2011

Bei meiner Konfirmation in den 70er Jahren war es so: Nach dem Gottesdienst, als alle erleichtert und erlöst aus dem dunklen Kirchenraum hinaus in die Maisonne strömten, hatte der Fotograf Joos schon seine Kamera, sein Stativ und sein Licht an der Treppe aufgebaut. 20 Konfirmanden, ein Profi. Der einzige Zwist ging darum, ob die schwerst pubertierende Jana mit ihrem kurzen Rock wirklich in der ersten Reihe stehen sollte, obwohl doch Fritz 20 Zentimeter kleiner war.

Die Fotos sind – gestellt, logo. Aber man kann alle Jugendlichen erkennen, es gucken alle in die Kamera, das Licht stimmt. Und wir Jugendlichen liefen die Tage nach der Konfirmation auf dem Schulweg am Schaukasten von Foto Joos vorbei und suchten uns auf den Fotos. Iih, seh ich ich dick aus, ha, da sieht man mal, was der Pfarrer für eine Glatze hat! Als ich neulich, 30 Jahre nach der Konfirmation, auf einem geschäftlichen Kongress einen Mit-Konfirmanden traf, gab es großes Hallo. Beide suchten wir abends das berühmte Gruppenfoto raus, Mensch, klar, du bist das.

Jetzt wurde mein Sohn konfirmiert. Das Thema „Foto“ nahm beim Elternabend viel Zeit ein. Die meisten Profi-Fotografen, lernten wir Eltern, kommen nicht mehr zu Konfirmationen, weil es sich nicht mehr lohnt – die meisten Eltern haben ja selber eine semi-professionelle Ausrüstung. Ein Blick ins Internet: In Foto-Foren tauscht sich der engagierte Konfi-Vater („Ich kann von mir sagen, dass ich kein einfacher Knipser bin“), mit der foto-fanatischen Patentante aus: f 8, ISO 100. Belichtungszeit 1/125s. Klar, dass die kein Geld für einen Profi-Fotografen mehr bezahlen wollen.

Kommt er doch, der Fotograf, gibt es auch nur Stress. In einer Foto-Community schildert Peggy aus Sachsen, dass der bestellte Fotograf den anderen Eltern untersagen wollte zu fotografieren. Na, da ist was los im Forum. „Ein Fall für die Polizei“, schreibt Elisabeth aus Pfarrkirchen, und schnell diskutiert die ganze Community über die „Rechtsnatur der Einwilligung des Abgebildeten“. Bei so vielen Genitiven und Paragrafen würde ich mir als Berufsfotograf auch lieber ein anderes Betätigungsfeld suchen als ausgerechnet die Konfirmation. Vielleicht Aktfotos, da quatschen nicht so viele mit.

Und das Ergebnis? Von der Konfirmation meines Sohnes gibt es gefühlte 500 Fotos. Kein einziges bei Tageslicht, da fehlte dem Pfarrer offenbar die Autoriät, die früher der Fotograf hatte. Kein einziges, bei dem alle in die Kamera gucken. Entweder das Mädchen aus der ersten Reihe läuft gerade weg oder der Junge in der letzten Reihe hält die Kerze raumfüllend vors Gesicht.

Das Gruppenerlebnis vorm Schaukasten des Fotografen bleibt auch aus, jeder guckt für sich allein. Bei picasa im Internet. Und falls mein Sohn in 30 Jahren eine Mit-Konfirmandin bei einem Kongress trifft, kann er bestenfalls sagen: Bist du die mit dem weißen Rock, die gerade aus dem Foto läuft?

Schade!

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Das erweckt in mir ebenso spaßige Erinnerungen. Es gibt nur ein schwarz-weiß Foto von meiner Konfirmation vor der Kirche von 1962, alle schauen gut in die Kamera, Pfarrers Glatze kannten wir schon vorher. Später hatte ich einige Male Fotografen bestellt, nach der Wende war kaum jemand semi-professional ausgerüstet. Und eine Fotografin hat es echt gut gemacht (auch in der Kirche, was ich allen theologischen und liturgischen Argumenten zum Trotz erlaubt habe), leider ging die gute Frau weg und ihre Nachfolgerin wollte es noch besser machen und hockte dann hinterm Birkenstrauß neben dem Altar. Da war es dann auch bei mir vorbei. Seitdem hatte ich Jahr für Jahr Gemeindeglieder mit profi-Ambitionen, die es dezent und sehr gut machten und auch etwas feeling mit aufnahmen und vor allem - zum Selbstkostenpreis. Natürlich kommt auch immer das (gewünschte) Gruppenfoto mit vor, am Ende ist das nicht mal schlecht, diese Idee einzubringen . Und meine Familienfotos? Meine Mutter fotografierte mit einer leeren Kamera und in der anderen war nur ein Dia-Farbfilm. Alles natürlich draußen. Dank nachwendiger neuer Technik habe ich die nun auch als normale Fotos auf der Platte, ich bins zufrieden. Ich weiß jedenfalls, dass Konfirmation viel mehr ist, als nur das kirchlicherseits gewünschte Bekenntnis-und Tauferinnerungsfest und dass gerade die normalen, weltlichen menschlichen usw Komponenten eine große Rolle spielen. Das ist bei Taufen und Trauungen nicht anders und ich bespreche vorher, wer der "Einer für alle" ist. Dass es dann doch passiert, dass bei den "Gebeten" fotografiert wird (weil der Fotograf gar nicht weiß, was ein Gebet ist), kann ich aushalten. Schließlich werden in den Fernsehgottesdiensten ganze Gemeinden frontal betend ins Wohnzimmer gebracht.
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"dass der bestellte Fotograf den anderen Eltern untersagen wollte zu fotografieren." Bei uns kommt eine Fotografin. Die macht vor dem Gottesdienst Gruppenfotos im Freien (weather permitting), nach dem Gottesdienst alles, was gewünscht wird, und während des Gottesdienstes an genau einer Stelle: jedes frisch eingesegnete Grüppchen dreht sich zur Gemeinde um, und sie hockt im Mittelgang und portraitiert die Jugendlichen mit ihren Holzkreuzen und Urkunden. (Die Bilder kann man später zu fairen Preisen bei ihr bestellen.) Alle anderen Gottesdienstteilnehmer dürfen während des Ein- und des Auszuges knipsen, was das Zeug hält, UND SONST NICHT. Fertig. Ergibt sehr entspannte, konzentrierte Gottesdienste. Und es ist nicht die Fotografin, die irgendwelchen Leuten irgendwas untersagt, sondern die Pfarrerin macht vorher die entsprechende Ansage, und dann ist das so. Gefunden wurde diese Regelung vor ein paar Jahren von Eltern, und seitdem ist es Tradition :-) In der Foto-Community äußerten ja einige durchaus Verständnis für solche Regelungen, es sei immerhin eine "Zeremonie". Nee, es ist sogar ein Gottesdienst, und es feiert sich einfach besser ohne die ganzen Knipsen. PS. Ich wüsste nicht, dass es von meiner Konfirmation ein Gruppenfoto gab. Auch wieder schade.

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