Ein Bogen über vier Jahrhunderte
Matthias Pabst
27.04.2020

CD-Rezension: Vox Humana

Der Kulturbetrieb steht so gut wie still, Konzerte müssen abgesagt werden. Live-Musik unmittelbar zu erleben ist zurzeit nicht möglich, abgesehen von Hausmusik, bleiben also nur die Medien oder der Kauf einer CD. Womit auch vor allem die frei arbeitenden Künstler zumindest ein wenig unterstützt werden. Für Fans der Kammermusik sei hier die neue CD des Cellisten Isang Enders - Vox Humana - empfohlen. Enders versammelt französische Komponisten über eine Zeitspanne von vier Jahrhunderten, von Marin Marais bis zu Olivier Messiaen. Vox Humana heißt übersetzt menschliche Stimme. Die ist im engeren Sinn nicht zu hören, im übertragenen allerdings doch. Zum Beispiel bei Marin Marais, dessen Musik Isang Enders als unglaublich gesanglich schätzt.

Marin Marais ist unüberhörbar ein Komponist aus dem Barock. Auch wenn zwei Jahrhunderte dazwischen liegen sieht Isang Enders Marais als musikalischen Vorfahren von Claude Debussy. Der spielt sozusagen die Hauptrolle auf Vox Humana.

Viel Bogen, wenig Druck, viel Luft

Isang Enders hat die meisten Stücke komplett neu für das Cello arrangiert. Ausgangspunkt für ihn ist Claude Debussy. Dem jungen Enders wurde von seinen Lehrern gesagt, wie er Debussy am besten inerpretieren solle: Viel Bogen, wenig Druck, viel Luft. Allerdings hat Debussy sehr genau bestimmt, wie seine Stücke zu spielen sind, großen Freiraum gibts da nicht, im wesentlichen noch beim Timing und der Klangfarbe. Konsequenterweise hat Isang Enders bei Debussy einiges vom Konzept der Farbe in der Musik abgeschaut.

Isang Enders - Vox Humana, Berlin Classics
VÖ: 24. April 2020, 19,99 Euro

"Vox Humana ist mein Versuch einer Collage mit Farben dieser Sprache, die ich mit meinen Mittel am Cello würdigen will, ein Lobgesang an die Kraft des Impressionisten und romantischen Pioniers, Claude Debussy. Ein Grand Ballet der Quellen von Inspiration und Klang, elegisch, gesungen und getanzt", sagt Enders.

Matthias Pabst

Hans-Gerd Martens

Hans-Gerd Martens ist stellvertretender Chefredakteur beim Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen (ekn). Er ist Jahrgang 1957, geboren in Rastede bei Oldenburg. Studium: Politikwissenschaft, Neuere Geschichte, Publizistik und Journalismus in Münster und Hannover. Danach berufliche Stationen als freier Mitarbeiter beim NDR, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim und Redakteur bei medien aktuell (einem Medieninformationsdienst in Hamburg).

Wer sich die CD Vox Humana kauft, kommt auch in den Genuss eines vergnüglichen Vorworts von Isang Enders im beiliegenden Booklet. Er stellt seine musikalischen Mitstreiter vor, den Pianisten Sunwook Kim, Sean Shibe, Mischa Meyer, seinen Vater Joachim Enders und er teilt dem Leser mit, welche Alkoholsorte er mit wem am liebsten trinkt, darunter Wein, Whiskey und Sake.

Olivier Messiaen bildet quasi den chronologischen Abschluss. Er ist der modernste der sechs Komponisten auf Vox Humana. Für Enders ist Messiaen die logische Konsequenz aus Debussy. Der Bogen über die vier Jahrhunderte ist damit geschlossen. Vox Humana von Isang Enders ist erschienen bei Berlin Classics.

Produktinfo

Isang Enders - Vox Humana
Berlin Classics
VÖ: 24. April 2020
19,99 Euro

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