Flüchtlinge mit Behinderungen brauchen besondere Unterstützung.
epd-bild/Judith Michaelis
Der zweite Bericht zur Lage der Menschenrechte in Deutschland befasst sich unter anderem mit behinderten Flüchtlingen. Sie gelten als besonders verletzlich und sind kaum im Blick des politischen Geschäftes.
06.12.2017

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine bessere Betreuung von behinderten Flüchtlingen in Deutschland angemahnt. So gebe es kaum barrierefreie Unterkünfte. Hilfsmittel und Therapien würden gar nicht oder nur nach aufwendigen Verfahren von den Sozialbehörden genehmigt, sagte Institutsdirektorin Beate Rudolf am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des zweiten Berichtes zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland. Zudem fordert das Menschenrechtsinstitut einen besseren Schutz der Privatsphäre in Gemeinschaftsunterkünften und unabhängige Beschwerdestellen bei Übergriffen durch das Personal in den Unterkünften.

"Geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert", sagte Rudolf. Nach wie vor gebe es keine Verfahren zur systematischen Identifikation besonders schutzbedürftiger Menschen.

Appell an Bundestag und Länder

Die Juristin forderte den Bundestag auf, ein bundesweit gültiges Verfahren zur Identifikation besonders schutzbedürftiger Geflüchteter vorzuschreiben. Dies sei der Dreh- und Angelpunkt, damit behinderte Personen angemessen untergebracht und versorgt werden. An die Länder richtete Rudolf den Appell, barrierefreie Unterkünfte bereitzustellen.

Für den Bericht hat das Deutsche Institut für Menschenrechte Organisationen befragt, die im Jahr 2016 rund 2.000 Asylsuchende mit Behinderungen beraten und unterstützt haben. Dem Institut zufolge leben aktuell etwa 400.000 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften.

Medizinische Behandlung ist Ermessenssache

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen fallen wie alle Flüchtlinge unter das Asylbewerberleistungsgesetz und erhalten in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen. Die Entscheidung für besondere medizinische Behandlungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden. Dies führe offenbar zu einer restriktiven Praxis der Behörden mit der Folge möglicher nicht wieder gutzumachender Schäden für die Betroffenen, sagte Rudolf weiter.

Ein weiterer Kritikpunkt des Menschenrechtsinstitutes ist der oftmals unzureichende Schutz der Privatsphäre in den Gemeinschaftsunterkünften. So gebe es etwa Zimmerkontrollen in Abwesenheit der Bewohner oder Hausverbote schon bei geringen Verstößen mit der Folge, dass der Betroffene obdachlos wird. Berichtet wurde auch über ein pauschales Übernachtungsverbot, so dass eine Mutter nicht bei ihrem minderjährigen Kind übernachten konnte. Rudolf plädiert für niedrigschwellige, unabhängige Beschwerdemöglichkeiten.

Für Familiennachzug

Der von Rudolf vorgelegte Bericht geht auf einen Beschluss des Bundestages von 2015 zurück. Danach ist gemäß den Vorgaben der Vereinten Nationen jährlich die Menschenrechtssituation in Deutschland neu zu bewerten.

Die Direktorin des Menschenrechtsinstitutes sprach sich auch für die Wiederzulassung des Familiennachzugs für subsidiär schutzberechtigte Personen aus. Die seit März 2016 geltende Aussetzung des Familiennachzugs sei "mit dem Menschenrecht auf Familienleben und den Kinderrechten nicht vereinbar". Kritisch bewertet Rudolf auch die Diskussion über eine Obergrenze für asyl- oder schutzsuchende Ausländer. Die Debatte über eine Aufhebung des Abschiebestopps nach Syrien bezeichnete sie als nicht nachvollziehbar und irritierend.

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