Felix EhringLena Uphoff
04.10.2011

Er ist für alle einfach Stani, sagt Holger Stanislawski. In Zuzenhausen hat er sich eingerichtet und es scheint ihm zu gelingen, hochtalentierte Einzelkönner wieder zu einer Mannschaft zu formen. Zuzenhausen ist, mit Verlaub, ein Kaff nahe Heidelberg mit gut 2000 Einwohnern. Dort gibt es ein Schloss, neben dem das immer noch neue Trainingsgelände der TSG 1899 Hoffenheim hochgezogen wurde. „Großes Kino“ nennt Stanislawski das Gelände in der Süddeutschen. Kein Wunder: In Hamburg hat der ehemalige Pauli-Spieler in der Jugend vermutlich auf Asche trainiert, in der Hansestadt ein beliebter Untergrund, der sich bei Regen in eine Schlammgrube verwandelt. Ist es trocken, frisst man Staub.

So einen brauchten sie dringend im verträumten Nordbaden. „Wir reden ja viel darüber, dass alles nur über die Mannschaft funktioniert“, sagt Stanislawski. Er ist bemüht, die Egos der zusammengekauften Talente zu rasieren. Wer nicht pünktlich beim Training ist, sitzt auf der Bank. Wenn Spiele hergeschenkt werden wie beim 0:2 gegen Köln am vorletzten Wochenende, gibt es Lauftraining und Übungen mit Medizinbällen. Auch als Hobbysportler weiß man, was das heißt: Medizinbälle merkt man sich.

Wer macht die Drecksarbeit?

Stanislawskis Ziel ist klar: Wenn die Mannschaft funktioniert, kann auch jeder Einzelne seine Qualitäten ausspielen. Zu viele ballverliebte Dribblings oder Alleingänge hingegen nerven nicht nur die Fans, auch Mitspieler spüren dann, dass da einer allein im Flutlicht und den TV-Kameras glänzen will. Und die Drecksarbeit sollen die anderen machen? Das verzeiht auf die Dauer kein Mitspieler, übrigens auch kein Kollege im Büro und kein Elternteil bei der Kindererziehung. Da hängt bald der Mannschaftssegen, der Bürosegen oder der Familiensegen schief.

Die Erfahrungen anderer Teams zeigen das: Beim HSV brachte der ehemalige Wunderstürmer Ruud van Nistelrooy kaum Zugewinn, der tadelige Diego fiel dem Oberwolf zum Opfer, Podolski spielt großartig, seit er nicht mehr ganz allein der 1. FC Köln sein muss. Und Robben? So gut er auch ist: Manche Experten halten Bayern ohne ihn nicht unbedingt für schlechter. Andersherum: Raúl ist auf Schalke auch so erfolgreich, weil er sich nicht über das Team stellt.

Ohne Reeperbahn zufrieden

Deshalb ist der viel zerredete „Teamspirit“ nicht etwa eine Floskel, sondern fast alles. Deshalb geht Jogi Löw mit den Nationalspielern vor Turnieren in den Klettergarten. Und Unternehmen bemühen sich (bisweilen krampfhaft) darum, dass die Mitarbeiter sich als Team verstehen. Das hat allerdings nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Firmen es ernst meinen. Wer parallel Leute entlässt und 60-Stunden-Wochen verlangt, kann den Klettergarten auch gleich einsparen.

In Zuzenhausen gibt es keinen Klettergarten, aber Medizinbälle für den Notfall. Stanislawski bastelt an der Konstanz seiner Truppe, die gegen 96 und Bremen verloren hat in der Liga, aber Mainz auswärts 0:4 zerlegte und den BVB besiegte. Nun das starke 0:0 gegen die Bayern. Das Ensemble 1899 hat getan, was der Name fordert: zusammengehalten, sich nicht zerpfücken lassen wie Freiburg (0:7) oder der HSV (0:5). Mit Hoffenheim ist wieder zu rechnen. 

Neulich war Stanislawski in Heidelberg. Den Verkehr fand er anstrengend. Er wohne gern auf dem Land, sagt er. Noch wohnt er im Hotel, einsam sei er dennoch nicht. „Ich brauche keine neuen Freunde“, sagt er. Er sei auch nicht bei Facebook. Begründung: „Mir muss keiner aus Timbuktu schreiben: Du, ich hab’ heute früh ein Ei gegessen, das war lecker!“ Ein Leben ohne Facebook? Die Haltung wird Stanislawski bei seinen jungen Spielern noch mehr Respekt einbringen.

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