Klimaschädliche Subventionen
Herr Lindner, hier sind 17 Milliarden Euro!
Diesel, Dienstwagen, Pendlerpauschale - das Geld liegt auf der Straße
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Tim Wegner
11.12.2023

Mal angenommen, man begibt sich auf eine Wanderung und hat die Hälfte des Weges hinter sich, als plötzlich ein dicker Felsbrocken den Weg versperrt. Wie nervig! Aber ein Umweg wäre immerhin die Chance, etwas Neues kennenzulernen. 

In der Politik sind die drei Ampelparteien, SPD, Grüne und FDP auf Wanderschaft. Und der Felsbrocken wäre das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Kurze Erinnerung: Im Kern sagt das Gericht, dass die Bundesregierung kein Geld aus Töpfen nehmen kann, die für andere Ausgaben gedacht waren. Also fehlen allein für den Haushalt des kommenden Jahres 17 Milliarden Euro. 

Und nun? Das Ziel der Wanderung ist klar, es geht gen Klimaneutralität bis 2045, in möglichst großen Schritten. Das kostet Geld. Aber die Folgen der Erderwärmung in Kauf zu nehmen, würde viel teurer werden. 

Schnell müssten die drei Wandersleute von der Ampel merken, dass sie sich ihre Wanderung Richtung Klimaneutralität schon unnötig schwer gemacht hatten, als noch gar kein Brocken den Weg blockierte. Denn die Bundesrepublik leistet sich den Luxus, einerseits viel Geld auszugeben, um klimafreundliche Technologien voranzubringen (ein Beispiel: Für die Förderung von E-Autos hatte der Bund bis zum Herbst schon fast zehn Milliarden Euro ausgegeben; der allergrößte Teil dürfte Menschen zugutegekommen sein, die wohlhabend sind) – andererseits aber gewährt der Staat viele Gelder, mit denen der Verbrauch von Kohle, Öl und Gas noch befeuert wird. Gemeint sind die klimaschädlichen Subventionen. 

Wie viele das sind? Das Umweltbundesamt hat 2021 einen Bericht vorgelegt, wonach in Deutschland 65,4 Milliarden Euro an Subventionen gewährt werden, die Umwelt und Klima schaden. Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 2018, sie sind also nicht mehr ganz neu, gelten aber – wohlgemerkt – für ein Jahr! Puh. 

Ich habe mir mal fünf Posten genauer angesehen: Die Dieselbesteuerung, die Entfernungspauschale, das Dienstwagenprivileg und zwei kuriose, aber leider auch komplizierte Beispiele aus der Welt der Luftfahrt. Gemeinsam ist allen: Sie kommen aus dem Verkehrsbereich, also jenem Sektor, der beim Klimaschutz bisher überhaupt nicht vorangekommen ist… 

Was mir nicht klar war: Vor gut 20 Jahren lag der Anteil der Dieselautos an allen Pkw bei 14,5 Prozent. Bis 2020 schnellte dieser Anteil auf über 30 Prozent hoch, also auf fast ein Drittel. Warum ist das so? Weil die Hersteller von Diesel-Motoren immer redlich und ehrlich waren? Ähm, nein! Weil Diesel weniger verbrauchen (dafür aber auch mehr Feinstaub produzieren)? Ja, schon eher. Und vor allem: Weil Diesel künstlich billiger gehalten wird als Benzin, der Energiesteuersatz auf Diesel liegt nämlich 20 Cent unter dem für Benzin. Würde man den Energiesteuersatz für Diesel auf einen Schlag anheben, brächte das acht Milliarden Euro an Mehreinnahmen im Jahr (und einen Schub für die Elektromobilität, aber auch jede Menge Wut, ist auch klar). 

Zweiter Posten, die Entfernungspauschale. Pro Kilometer Arbeitsweg können wir 30 Cent als Werbungskosten absetzen, das mindert die Steuerlast. Am Ende bekommen wir mit der Steuererklärung umso mehr Geld zurück, je weiter wir pendeln. Ab dem 21. Kilometer lassen sich sogar 38 Cent absetzen. Dem Finanzamt ist es egal, ob man mit dem Rad oder dem Boliden zur Arbeit fährt. Für Autofahrer ist der absetzbare Betrag laut Umweltbundesamt nicht einmal gedeckelt. Das führt zu Steuerausfällen von sechs Milliarden Euro.

Ich dachte immer, wer Hand an die Entfernungspauschale legt, verschärft die Ungerechtigkeit in Deutschland – und trifft zum Beispiel vor allem die Pflegefachkraft, die vom Land in die nächste Metropole pendelt, weil sie sich die Mieten und Immobilienpreise dort nicht leisten kann. Aber das stimmt nicht. Eine Kurzstudie des Forums Sozial-Ökologische Marktwirtschaft im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland, des Deutschen Caritasverbandes und des WWF Deutschland kommt zu interessanten Ergebnissen: Etwa elf Millionen Menschen in Deutschland profitieren von der Entfernungspauschale – fast die Hälfte davon gehört zu den Besserverdienenden. Knapp zwei Drittel der Steuerpflichtigen haben keinen Vorteil; von ihnen dürften aber viele an verstopften Hauptstraßen leben, durch die sich morgens und abends die Autos quälen. Feinstaub olé! 

Nummer Drei, das Dienstwagenprivileg. Ganz abschaffen kann man es nicht, hat mir Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erklärt. Denn wer einen Dienstwagen vom Arbeitgeber bekommt, hat einen geldwerten Vorteil – und den muss man besteuern. Das Umweltbundesamt geht aber davon aus, dass nur ein kleiner Teil des Nutzens versteuert wird. Wer einen Dienstwagen hat, hat keinen Anreiz mehr, mit der Bahn gen Städtereise aufzubrechen oder die Brötchen mit dem Rad zu holen. Er fährt und fährt und fährt (meistens profitieren Männer). Auch Verbrenner werden auf diese Weise noch immer gefördert, sogar besonders große und schwere. Es könnte anders sein, beispielweise ließe sich der CO2-Austoß der Wagen berücksichtigen, aber so lange es nicht anders ist, schätzt das Umweltbundesamt die Kosten uns als Steuergemeinschaft auf drei Milliarden Euro im Jahr. 

Und nun noch zwei Beispiele aus der Welt der Luftfahrt. Doch bleiben wir noch kurz am Boden: Tankt die Deutsche Bahn eine Diesellok voll, muss sie auf den Diesel Energiesteuer zahlen. Tanken Airlines ihre Maschinen mit Kerosin voll, müssen sie das nicht. Auch nicht auf Inlandsflügen, was allein schon eine halbe Milliarde Euro kostet. Dafür muss man auf Inlandsflügen immerhin Mehrwertsteuer zahlen, auf internationale aber nicht – Kosten hierfür: vier Milliarden Euro. Dieser Irrsinn liegt auch in internationalen Vereinbarungen und in EU-Bestimmungen begründet, die sich nicht im Alleingang reformieren lassen. Obwohl: Kerosin auf Inlandsflügen besteuern – das ginge sofort. Trotzdem: Den Flugverkehr lasse ich bei meiner Bilanz noch außen vor. 

Zählen wir zusammen: 8 plus 6 plus 3 sind – oh Wunder – 17 Milliarden Euro. Das ist exakt die Summe, die für kommendes Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes fehlt. Und es gibt noch mehr krude Steuerparagraphen (Mehrwertsteuer auf Kuhmilch: sieben Prozent, auf Mandelmilch: 19 Prozent). Schon klar, dass man wohl nicht von heute auf morgen alle klimaschädlichen Subventionen und Privilegien streichen kann. Aber die Richtung ändern, wenn schon so ein Knaller-Urteil kommt und die Klimakrise drängt – das darf man wohl erwarten. 

Was also machen unsere Wandersleute von der Ampel wohl? Gut erklären, in welche Richtung es geht und warum der neue Weg gut und interessant ist, kann man nur, wenn man sich einig ist, wohin man gemeinsam gehen möchte – und genau das ist wohl das Problem mit der regierenden Koalition. 

Aber wir Steuerzahlenden können ihn ja noch ein paar Tipps geben. 

 

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