Pschyrembel mit Händen in Handschuhen
privat/Hanna Lucassen
Den Kopf voll Lunge
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
02.07.2020

Zurzeit rückt meine Vergangenheit noch einmal ganz nah. Für eine chrismon-Reportage begleite ich zwei junge Krankenpflege-Azubis durch die Prüfungszeit. Neulich trafen wir uns zum Gespräch in unserem Garten. Mit Abstand und frischer Luft konnten wir uns endlich mal wieder live unterhalten.

Sie lernen jeden Tag, sagten sie, haben den Kopf voll mit Lungen- und Leberkrankheiten, Sozialrecht, Pflegetheorien. Ich erinnere mich noch gut, wie aufgeputscht ich damals vor meinen Prüfungen war. Schlimmer als das Abi - das fanden wir alle.  

Eingeschworen auf italienische Verhältnisse

Die beiden erzählten von der Corona-Zeit im Krankenhaus. Anfangs hatte der Chefarzt sie eingeschworen: „Haben Sie die Bilder aus Italien gesehen? Die Schwester, die auf dem Schreibtisch einschläft? So wird es uns hier auch gehen.“ Etwas mulmig sei ihnen zumute gewesen. Aber es wäre auch spannend gewesen: das Gefühl, bei etwas Außergewöhnlichen dabei zu sein.

Das Krankenhaus veränderte sich. Es entstand eine Covid-Intensivstation und eine Isolierstation für leichter erkrankte Covid-Patienten. In den anderen Abteilungen wurde es innerhalb von Tagen sehr ruhig: Weniger Patienten und Behandlungen. Keine Besucher. Praktikanten und freiwillige Helfer bleiben weg.
Niemand schlief erschöpft auf dem Schreibtisch ein. Es blieb ruhig. Wer von den Pflegekräften noch Resturlaub hat, nahm ihn jetzt. "Es war komisch" sagte einer der beiden: "Meine Bekannten und Nachbarn grüßten immer ganz besonders freundlich, sie dachten, ich sei voll im Stress. Dabei war es nicht mehr als sonst."

Hü und Hott der Hygieneregeln

Anstrengend sei nur die Ungewissheit gewesen. Ein interner Liveticker informierte über die aktuellen Zahlen der Covid-Patienten in der Klinik, von heute auf morgen konnte sich alles ändern. Die Hygienevorschriften taten das bereits: An einem Tag war der eine Mundschutz das richtige, am nächsten Tag ein anderer. Ein ziemliches "Hü und Hott" sei das gewesen.
Getestet werden sie beide übrigens nie. Auch nicht, als einer von ihnen einen Patienten pflegt, der kurz darauf auf Covid positiv getestet wird

Und die Anerkennung, der abendliche Applaus, die Prämie? Och ja... Die beiden verziehen ein bisschen das Gesicht, und antworten so wie die meisten Pflegekräfte, die ich das frage: "Es ist ja bestimmt nett gemeint, aber es nützt so wenig. Und kommt auch ein bisschen spät."

Euern Applaus könnt Ihr euch sonst wohin hinstecken“ - Unter diesem Titel erscheint im August ein Buch der jungen Berliner Krankenpflegerin Nina Böhmer. Sie fühlt sich verheizt und fordert, das sich in unserem Gesundheitssystem dringend etwas ändern muss, damit es Pflegenden und PatientInnen besser geht. Gleichzeitig sagt sie: Ich liebe meinen Beruf.
Formiert sich doch langsam ein neue junge Bewegung in der Pflege, die wirklich etwas verändert? Ich treffe Nina Böhmer übernächste Woche und bin gespannt, was sie dazu zu sagen hat.

 

 

 

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