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Junge Einsamkeit
Wenn das Wort „Einsamkeit“ fällt, denkt man zumeist an alte Menschen. Dabei hat die Corona-Zeit mehr als deutlich gemacht, dass dies auch ein bedrängendes Thema für Kinder und Jugendliche ist. Aber wie redet man mit ihnen über das Alleinsein? Eine Hamburger Kollegin hat da eine Idee.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
14.07.2023

Keine Angst, dies soll kein Corona-Text werden. Das will niemand mehr lesen. Aber manchmal frage ich mich doch, ob wir über die damals gemachten Erfahrungen von Angst, Ohnmacht, Leerlauf und vor allem von Einsamkeit nicht viel zu schnell hinweggegangen sind. Indem wir wieder ins vermeintlich normale Leben geflüchtet sind. Oder indem wir uns gleich in die nächsten Krisendebatten gestürzt haben? Sind wir nicht gerade dabei, die Corona-Erfahrungen zu verdrängen? Müssten wir nicht nach Wegen suchen, wie wir miteinander und vor allem mit Kindern und Jugendlichen über das damals existentiell Erfahrene und Erlittene sprechen können?

Aber das ist nicht leicht. Die Einsamkeiten von jungen Menschen liegen nicht immer offen zu Tage. Vor allem sind sie sehr schambesetzt. Auch fehlen manchmal die richtigen Worte. Zudem wollen Kinder und Jugendliche nicht immer nur reden, sondern lieber etwas machen, um vielleicht ins Reden zu kommen. Und dann müsste man noch gemeinsam Wege finden, wie man aus einer schmerzlichen und belastenden Einsamkeit hinausfindet.

Meine Hamburger Kollegin Gunda Männel-Kaul – sie hat eine Pfarrstelle für schulkooperative Arbeit inne – hat sich deshalb etwas Besonders ausgedacht, nämlich eine Ausstellung für Schulklassen und Gemeindegruppen. Sie besteht aus ganz verschiedenen Stationen, die jeweils mit Angeboten für 4., 7. oder 10. Klassen beziehungsweise die entsprechenden Kinder-, Konfirmanden- oder Jugendgruppen bestückt sind. Da gibt es viel zum Lesen, Forschen, Surfen und Diskutieren. Wichtiger aber noch sind die Anstöße durch Symbole, Bilder und Kunstwerke. Sie sprechen die Vielfalt der Sinne an, nicht nur den Verstand, geben eine Ahnung von den unterschiedlichen Fassetten dieser menschlichen Erfahrung und ermöglichen es den Kindern und Jugendlichen, sich über einen Umweg vorzutasten. So zum Beispiel bei dem Einsamkeitsleuchtturm, der oben zu sehen ist. Er ist zugleich ein Symbol für das Alleinsein wie für das Zusammenführen. Einerseits ist nichts so mutterseelenallein wie so ein Leuchtturm im Meer, andererseits steht er für die Sehnsucht nach Wegen, die ins Zusammensein, in die Heimat führen. Dabei zeigt sich, dass es sehr unterschiedliche Gestalten des Alleinseins gibt. Einige sind eine große Last und können in die Verzweiflung führen. Andere sind lebensnotwendig, schön, beglückend und auch religiös erhebend. Wie könnte man zur Besinnung kommen, wenn man nicht dann und wann wirklich nur für sich ist?

Über symbolische Bilder und Texte kommt man wie von selbst ins Gespräch mit Kindern und Jugendlichen über ihre Erfahrungen, Schmerzen und Sehnsüchte. Aber beim Darüber-Reden sollte es ja nicht bleiben. Am besten findet man zueinander, wenn man miteinander spielt, gemeinsam kreativ wird, etwas füreinander tut. So kann man am Ende der Ausstellung „Für-Dich-Dosen“ füllen und gestalten. Das sind ungefähr Nutella-große Glasbehälter, in die man allerlei Selbstgemaltes, Selbstbeklebtes, Selbstgeschriebenes hineintut und die man dann einer Person schenkt, die sich darüber besonders freuen würde. Schon ist diese Person, schon ist man selbst weniger einsam. Auch als Erwachsener bekommt man Lust, auch zu basteln, und denkt an Menschen, die noch einsamer sind als man selbst.

Wer mehr über diese Ausstellung und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zum Thema „Einsamkeit“ wissen möchte, sollte Gunda Männel-Kaul einfach eine E-Mail schreiben: g.maennel-kaul@kirche-hamburg-ost.de

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