Foto: privat
Eine ungewöhnliche Familiengeschichte
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
22.02.2019

Über Netflix wird gegenwärtig viel geschimpft, zum Teil zu Recht. Andererseits ist dieser Streamingdienst eine fast bodenlose Kiste, in der man Schätze finden kann, die man andernorts vergeblich suchen würde.

Gerade schaue ich mit wachsender Begeisterung eine Serie, die etwas bisher Undenkbares versucht: Sie zeigt die Geschichte einer strenggläubigen jüdischen Familie in Jerusalem, erzählt von missglückten Heiratsversuchen, schwierigen Ehen, fröhlichen Festen, Streit und Versöhnung zwischen den Generationen, der Suche nach Arbeit und Lebenssinn, einem Alltag, der nordeuropäischen Zuschauern sehr ungewöhnlich erscheint. Aber sie tut dies, als wäre gar nichts Besonderes dabei.

Dabei ist „Shtisel“ ein wirklich ungewöhnliches Projekt, auch für Israel, wo strenggläubige und säkulare Juden sich häufig fremd gegenüberstehen und keinen Einblick in die Lebenswelt der anderen haben. Die TV-Serie, die Yehonatan Indursky und Ori Elon 2013 geschaffen haben, schlägt da eine Brücke. Und zwar auf eine angenehm unaufgeregte Weise. Sie zeigt Menschen in ihrer ganz eigenen Welt, in ihrer Individualität, ihrer Frömmigkeit, ihren Lebenskrisen. Sie nimmt sie ernst. Dabei stammen die meisten, die mitgewirkt haben, nicht aus diesem Milieu. Die Schauspieler sind säkulare Juden, der Drehbuchautor sogar ein Palästinenser. Und doch kommen sie ihren fiktiven Charakteren sehr nahe. Das ist ungeheuer interessant, bewegend, manchmal komisch und oft sehr traurig.

Wer gerade keine Zeit für die beiden Staffeln hat, dem empfehle ich ein siebenminütiges Video der israelischen Künstlerin Nira Pereg. In „Sabbath“ (2008) zeigt sie, wie strenggläubige Juden, vor allem Kinder, am Freitagnachmittag ihre Straßen absperren. Das hat etwas Hartes, aber auch seltsam Tänzerisches. Dabei enthält sich die Künstlerin jeden Kommentars. Sie zeigt nur etwas, das zu ihrer Realität gehört, ihr selbst aber fremd sein dürfte.

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