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Singen oder Nichtsingen? Das ist hier die Frage!
Die Lage ist ernst, wirklich sehr ernst,da ist es wichtig, nicht den Humor zu verlieren. Auch nicht bei der Frage, ob man im Gottesdienst singen oder nicht singen sollte. Eine Liste liefert jetzt die nötige Aufklärung und bietet zugleich ein Stück ernsthafter Erheiterung.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
10.10.2020

Ein kundiger Kollege hat aufgelistet, wo man in deutschen Gottesdiensten singen oder nicht singen darf bzw. an welche Bedingungen eine Erlaubnis geknüpft ist. Ganz strenge Landeskirchen wie die Braunschweigische, Hannoversche oder Lippische begnügen sich mit einem eindeutigen Nein. Die anderen verkünden gutprotestantisch ein entschiedenes Jein: Ja, aber nur wenige Strophen (Bayern, Kurhessen-Waldeck), aber mit Maske (die meisten), aber mit seitlichem Abstand von 1,5 Metern (Bayern), 2 Metern (Baden, Rheinland), 3 Metern (Mitteldeutschland), aber mit 6 Metern Abstand nach vorn (Berlin-etc.) aber leise (Hamburg), aber in kurzen Gottesdiensten (Baden, Württemberg), aber nur, wenn die Kontakte sitzplatzbezogen nachverfolgt werden können (Sachsen).

Besonders schön wird es, wenn sich der kirchliche mit dem staatlichen Föderalismus kreuzt: So gelten für die Nordkirche, die Berliner-etc.-Landeskirche, die Hessischen Nassauer jeweils mehrere, einander wiedersprechende Regelungen.

Übrigens, dem Klischee von den sinnenfeindlichen Calvinisten widerspricht, dass die reformierte Kirche einfach nur Ja zum Singen sagt.

Natürlich, die Corona-Pandemie ist eine ernsthafte Gefahr. Da gilt es, sich gemeinschaftlich an die Regeln zu halten. Aber es gilt auch, Maß und Mitte zu wahren. Überzogene und willkürliche Härte schadet der Disziplin und der Resilienz. Singen in freundlichen Maßen und in der gebotenen Vorsicht dürfte mehr nutzen als schaden. Es stärkt die inneren Abwehrkräfte. Dass es dabei in evangelischen Gottesdiensten zu ekstatischen Ausschreitungen und infektiösen Massenkonvulsionen kommen sollte, ist ja eher nicht zu erwarten. Überhaupt sind die örtlich Verantwortlichen zumeist sehr verantwortungsbewusst. Das sollten sie auch sein dürfen. Denn sie können am besten einschätzen, wie es bei ihnen vor Ort ist. In abgelegenen Dorfkirchen wird mehr möglich sein als in großen Innenstadtkirchen, bei Festgottesdiensten wird man es anders halten als bei Andachten, Berlin-Mitte und die Prignitz sollte man unterschiedlich behandeln.

Deshalb hat mir die Regelung einer der kleinsten Landeskirchen am besten gefallen. Bei der Anhaltinischen Kirche heißt es bloß: „keine Vorgabe“ – „örtliche Entscheidung“.

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