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Über ein Gespräch, das nicht endet
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
23.01.2018

Die meisten Pop-Stars altern ziemlich schlecht. Doch einigen wenigen gelingt es, aus dem Altern, ja sogar aus der eigenen Todesnähe ein Kunstwerk, große Musik oder tröstliche Einsichten hervorzuzaubern. David Bowie, Leonard Cohen oder Nick Cave fallen mir da ein.

Oder die Go-Betweens, eine Band, die ebenso legendär wie erfolglos war, heiß geliebt, leider von zu wenigen. Ende der 1970er wurde sie von Robert Forster und Grant McLennan in Australien gegründet. Die beiden Songwriter schufen Meisterwerke der Independent-Music, kamen aber nie so groß raus, wie sie es verdient gehabt hätten. In den 1990ern trennten sich die beiden erschöpft und enttäuscht. Doch Anfang des neuen Jahrtausends fanden sie wieder zusammen und gewannen mit neuen Liedern ein schönes Publikum. So hätte es jetzt weitergehen können. Doch 2006 starb Grant McLennan, ein Mensch, dem mit seiner depressiven Veranlagung „hier auf Erden nicht zu helfen war“ (Kleist).

Nun hat Robert Forster, der – ungewöhnlich für einen Musiker – wirklich gut schreiben kann, ein ebenso kluges wie anrührendes Buch über die gemeinsame Geschichte geschrieben: „Grant und ich“. Besonders überrascht und bewegt hat mich die eine und einzige Szene, in der Forster vom Besuch einer Kirche berichtet. Er fand am Tag nach dem Tod des Freundes in Brisbane statt.

„Ich habe herausgefunden, dass das Gespräch mit einer Person nicht notwendigerweise endet, wenn sie gestorben ist. Wie sollte die Stimme eines engen Freundes, dem man fast drei Jahrzehnte lang zugehört, mit dem man geredet und Songs ausgetauscht hat, von einem Moment auf den anderen verstummen? Es gibt ein Echo.

Ich erwachte am Morgen nach seinem Tod, als Grant mir zwei Dinge sagte. Das erste war, dass ich alles zu Papier bringen sollte, was wir erlebt hatten. Das zweite war abstrakter: ‚Gehe zum wichtigsten Gebetsort, den du kennst, und denk an mich.‘

Ich stieg aus dem Bett. Schock und große Trauer lagen über uns allen im Haus.  Ein Freund fuhr mich zur St. John’s Cathedral.

Ein Gottesdienst ging zu Ende. Gläubige erhoben sich langsam und verließen die Bänke. Ich ging einen Seitengang hinunter zum Altar und zündete eine Kerze an, legte den Kopf in den Nacken, um auf die gewölbten Decken zu schauen und die Gelassenheit und Ruhe auslösende Luft einzuatmen, die in alten Sandsteinkirchen hängt. Ich machte keine religiöse Erfahrung durch; es war einfach das Bewusstsein von Grants Gegenwart, und die Gegenwart war freudvoll. ‚Hier bin ich‘, sagte er."

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