Eine Studentin gibt in Rom eine öffentliche Versammlung zum Thema "Hohe Mieten" bekannt
Eine Studentin gibt in Rom eine öffentliche Versammlung zum Thema "Hohe Mieten" bekannt
Pacific Press Agency/IMAGO
Studentenproteste
"Die Politik hat sich nie um den Wohnungsmarkt gekümmert"
Erstmals seit Jahrzehnten besetzen Studenten in Italien die Universitäten. Sie protestieren gegen explodierende Mieten und Wohnungsnot. Arianna D’Itri ist in Mailand dabei, wo die Protestbewegung "Tende in Piazza" ihren Anfang nahm
Tim Wegner
19.07.2023
2Min

Mittlerweile haben Sie die Zelte verlassen. Warum haben Sie die Strategie geändert?

Weil wir wirklich Antworten wollen. Nach einem Monat zelten haben die Politiker uns nicht mehr ernst genommen. Die Zelte bleiben als Mahnmal auf der Piazza. Wir arbeiten uns ins Thema ein, organisieren den weiteren Protest und diskutieren in regelmäßigen Sitzungen Lösungsvorschläge.

Privat

Arianna D'Itri

Arianna D’Itri aus Frosinone studiert am Polytechnikum Mailand Chemietechnik und engagiert sich in der Studierendenvertretung, an die sich eine Studentin wandte, die keine Wohnung in Mailand fand. Sie unterstützt und organisiert den Protest "tende in piazza" von Beginn an und campierte in den ersten Wochen selbst auf dem Vorplatz.

Wer macht mit?

Angefangen hat es mit einer wohnungslosen Studentin, die sich an unsere Studentenvertretung gewandt hat. Niemand ahnte, dass wir damit eine landesweite Welle lostreten. In Mailand haben verschiedene Studierendenorganisationen und Interessensgruppen zusammengefunden.

Was ist das Besondere an dem Protest?

Niemand hat den Vorsitz. Wir entscheiden alles zusammen. Manche der teilnehmenden Gruppen trennten vorher Konkurrenz und äußerst unterschiedliche Weltsichten. Aber plötzlich schaffen wir, woran die Parteien im Parlament scheitern: Trotz unterschiedlichster Überzeugungen arbeiten wir konstruktiv am großen Ganzen. Das macht mich dankbar.

Wie reagieren die Leute?

Viele suchen das Gespräch. Senioren erzählen von ihren Erfahrungen in der 68er-Bewegung. Viele sind verzweifelt. Zum Beispiel ein Arbeiter: Er war aufgebracht, weil er mit 1400 Euro im Monat seine vierköpfige Familie durchbringen muss und dachte, wir würden nur für Studierende kämpfen. Aber wir haben das Thema schnell ausgeweitet. Ich habe das Privileg, studieren zu dürfen – aber künftig auch die Möglichkeit und Pflicht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Viele Studierende unterstützen uns und dankten uns für den Einsatz. Leider haben die, die Änderungen am dringendsten brauchen, keine Ressourcen für Protest.

Wie kommt es in Italien zu der Wohnungsnot?

Das ist komplex. Das größte Problem ist, dass die Politik sich nie um den Wohnungsmarkt gekümmert hat, nun ist es schwierig, die Fäden aufzunehmen. Es gibt zu wenig staatliche Sozial- und Studentenwohnungen. Und spekulierende Bauunternehmen schaffen Gentrifizierung.

Wo sehen Sie Lösungswege?

Wir tragen gerade auf einer Karte von Mailand alle verlassenen öffentlichen Gebäude zusammen, die zu Studenten- oder Sozialwohnungen umgebaut werden könnten. Wir wollen eine Reglementierung der Kurzzeitmieten und eine stärkere Überwachung des Schwarzmarktes, zum Beispiel, indem man leerstehenden Wohnraum besteuert.

Wie geht es weiter?

Der Protest muss jetzt auf die nationale Ebene. Wir bereiten für den Herbst Aktionen vor. Im Sommer ist es schwierig, in der Politik Gehör zu finden.

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