Pantea will geflüchteten Frauen und Kindern helfen
Pantea will geflüchteten Frauen und Kindern helfen
Katrin Binner
Sie hat ein Gelübde abgelegt
Sollte ihr Kind die Flucht überleben, dann würde die Mutter ihr Leben lang Frauen und Kindern helfen
23.01.2018

Pantea, 40:

Ich wusste schon als Jugendliche: Ich will eine starke Frau sein. Ich will ein Vorbild werden für andere persische Frauen. Das habe ich auch von meiner Mutter gelernt: Sie war die erste Frau in ­ihrer Familie, die einen Führerschein gemacht hat. Ich bin ein Einzelkind, aber meine Mutter wollte auf keinen Fall, dass ich verwöhnt werde. Deshalb hat sie mich nach der Schule, mit 20 Jahren, nach Deutschland geschickt. Ich wohnte bei einer Tante in Frankfurt und besuchte einen Deutschkurs. In dieser Zeit bin ich zum Christentum konvertiert. Mich hat beeindruckt, dass Jesus immer gut war zu Kindern und Frauen.

Weil meine Eltern krank wurden, ging ich zurück in den Iran und studierte dort Internationale Beziehungen. Im Studium lernte ich meinen Mann kennen. Dass ich Christin bin, störte ihn nicht, er ist nicht religiös. Christen sind im Iran eine anerkannte Minderheit – aber auf das Konvertieren steht die Todesstrafe. Also lebte ich meinen Glauben still und unentdeckt. Aber dann wurde unser Haus durchsucht, eigentlich wegen der Arbeit meines Mannes als Politikwissenschaftler, Freunde in der Ver­waltung warnten mich: Auf meinem Laptop seien E-Mails der christlichen Gemeinde gefunden worden. Wir hatten nur drei Tage, um die Stadt zu verlassen.

„Warum haben wir kein Haus?" hat mein Sohn immer wieder gefragt

Mein Mann, unsere beiden Kinder und ich flüchteten mit Hilfe eines Schleusers, Richtung Deutschland. Auf der Fahrt durch die Balkanstaaten ging es meiner zweijährigen Tochter sehr schlecht, sie war gerade frisch an der Lunge operiert worden. Sie hatte schon von Geburt an Probleme mit den Atemwegen. Ich betete und versprach Jesus: Wenn sie überlebt, will ich mein Leben lang Frauen und Kindern helfen. Jetzt ist Armita fünf Jahre alt.

In Deutschland lebten wir ein Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft. Unsere Kinder konnten nur schwer verstehen, wieso unser Leben plötzlich so anders war. „Warum haben wir kein Haus? Warum haben wir kein Auto?“, hat unser Sohn immer wieder gefragt. Kürzlich haben wir endlich eine Wohnung gefunden. Ich gehe trotzdem noch oft in die Flüchtlingsunterkunft zurück: um ­anderen Frauen zu helfen, vor allem aus Afghanistan. Sie vertrauen mir, weil ich ihre Muttersprache spreche und ihre Kultur kenne.

Ich sage ihr dann immer, dass jedes Leben gleich viel wert ist.

Ich verstehe ihr Leben, aber mein Leben ist ganz ­anders. Mein Mann und ich haben im Iran beide gearbeitet, ich war Lehrerin. Wenn ich ihnen erzähle, dass er mir zu Hause in der Küche hilft, sagen sie: „Das ist kein richtiger Mann. Das ist nicht die Aufgabe von Männern.“ Viele dieser ­Frauen erziehen ihre Kinder so, dass die Töchter ihre Brüder bedienen müssen. Sie behandeln ihre Töchter mit mehr Strenge und ihre Söhne mit mehr Respekt. Ich frage die Frauen dann: „Liebst du dieses Leben?“

Diese Frage macht sie sehr nachdenklich. Frau Hosseini* hat eine zweijährige Tochter mit einer starken Behinderung. Für den Vater ist das Kind eine Schande, die Mutter schämt sich. Ich sage ihr dann immer, dass jedes Leben gleich viel wert ist. Oder die 17-jährige Amina*: Sie hat bei der Regelblutung starke Schmerzen und verliert viel Blut, aber ihr Vater verbietet ihr, zum Arzt zu gehen. Ich bin dann mit ihr heimlich zu einer Frauenärztin.

Irgendwann macht es „Pling“

Die Frauen haben fest die Vorstellung im Kopf, dass der Mann das Sagen hat. Ich muss lange mit ihnen reden, und irgendwann macht es „Pling“. Dann verstehen sie, dass sie in Deutschland andere Rechte haben. Doch das heißt noch nicht, dass sie sich trauen, sich anders zu verhalten. Sie haben große Angst vor Veränderung. Attia*, eine andere Frau, hat ihren Mann angezeigt, weil er sie immer wieder geschlagen hat, sie kam in ein Frauenhaus, lebt jetzt in einer eigenen Wohnung mit ihren Kindern, der Mann darf sie nicht mehr sehen – aber das Alleinleben macht ihr Angst. „Er hat mich geschlagen, aber das war immer noch besser, als keinen Mann zu haben“, sagt sie jetzt. Ich kann ihr nur immer wieder Mut machen und für sie da sein – wir schreiben uns viel auf Whatsapp und telefonieren oft.

Ich liebe die Arbeit mit den Frauen, aber ich verdiene kein Geld damit. Ich muss aber Geld verdienen. Im Moment mache ich ein Praktikum in einer Postfiliale und werde danach vermutlich dort arbeiten. Es ist immerhin ein Job. Mein Traum wäre, soziale Arbeit zu machen, Frauen und Kinder zu unterstützen, so wie ich das jetzt schon ehrenamtlich tue.

Protokoll: Eva Morlang

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