Foto: epd-bild / Steffen Schellhorn
Bibelstunde auf der Wartburg
Die Arbeiten an der Lutherbibel sind abgeschlossen – und entpuppen sich als umfangreiche „Revision“. Das spricht für den Fleiß der Wissenschaftler
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
14.09.2015

Luthers Bibelübersetzungen: Sie sind mit das Wertvollste, was die evangelischen Kirchen besitzen. Nicht als museales, sondern als quicklebendiges Gut, das die deutsche Sprache und den Glauben der Menschen von Anfang bis heute prägt. Gerade weil es so lebendig ist, muss es – immer mal wieder verändert werden.  

Lange hieß es, dass die Restaurierungsarbeit der evangelischen Theologen an der Lutherbibel eine „Durchsicht“ sei. Jetzt, da das Werk abgeschlossen ist, gibt die evangelische Kirche zu: Es ist eine Revision, also eine grundsätzliche Überarbeitung. Ob die Kirche von der Vielzahl der Veränderungen selbst überrascht wurde oder ob der bescheidene Begriff „Durchsicht“ mögliche Kritiker beschwichtigen sollte, lässt sich nicht eindeutig sagen.

Ein fulminanter Beitrag zum Jahr 2017

Schätzungsweise 12000 veränderte Verse enthält die neue Lutherbibel. Nun liegt die umfassende Neuausgabe der Lutherbibel vor, allerdings noch nicht im Handel. Vielmehr haben die Redakteure sie heute dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) übergeben. Der wird sie nach einer Prüfung zum Druck freigeben. Im Handel wird die Lutherbibel zum Reformationstag 2016 vorliegen – als fulminanter und sicherlich folgenreicher Beitrag zum Reformationsjahr 2017.

Die Arbeiten an der neuen Ausgabe dauerten fünf Jahre. 70 Theologen und Sprachwissenschaftler überprüften dabei die Lutherbibel in der Fassung von 1984 auf Treue zum biblischen Text. Ihr Auftrag: Veränderungen des Luthertextes lediglich dort vorzunehmen, wo sie zwingend geboten sind. Professor Christoph Kähler, Vorsitzender des Lenkungsausschusses und früherer thüringischer Landesbischof, sagt: „Luther hat eine kostbare poetische Sprache geformt. Der Wortlaut darf nur verändert werden, wo es die Treue zu den biblischen Zeugen zwingend erfordert.“ Will sagen: Wenn Veränderungen, dann nur dort, wo sie den ursprünglichen Sinn der Worte noch deutlicher machen.

Lieber "selig" oder lieber "gerettet"?

Nicht die Bibel pauschal zu modernisieren, sie heutigem Deutsch anzupassen, war das Ziel. Es sollten aber neue Erkenntnisse der Bibelwissenschaftler und Theologen aus den vergangenen Jahrzehnten eingearbeitet werden. So war es sinnvoll, die Fixierung auf die Männer aufzubrechen. Oder wunderbare alte Luther-Worte, die 1984 recht radikal wegmodernisiert worden waren und trotzdem nie aus dem liturgischen Sprachschatz verschwanden, für die Zukunft zu retten. Luthers „selig“ ist so viel schöner als das funktionale „gerettet“.

Die letzten Bibelrevisionen waren übrigens 1964 (Altes Testament) und 1984 (Neues Testament) abgeschlossen worden. Seither hat sich viel in Kirche und Gesellschaft getan. Aber manchmal sind die ursprünglichen Formulierungen Luthers unübertrefflich, auch wenn seine Übersetzung des Neuen Testaments bereits im September 1522 erschien (und in den folgenden Jahren die von weiteren Büchern der Bibel). Die letzte, vom Reformator selbst durchgesehene Gesamtausgabe der Bibel erschien 1545. Und sie grub sich ins Bewusstsein der Protestanten ein. Denn wer könnte je den besonderen Klang der Worte Jesu vergessen, so wie Luther sie übersetzt hat: „Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe“. Die Version der Lutherbibel 1984 hieß da – weniger klangvoll, weniger besonders: „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Diese Stelle zeigt, dass eine Rückkehr zu Luthers Text von 1545 ein besonderer sprachlicher Gewinn ist.

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