Anglizismus von Jakob Waffender
"Erledigt"-Kolumne aus dem Leistungskurs Deutsch, Stufe 11, des Gymnasiums Nieder-Olm bei Mainz
09.09.2015

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Integration fremdsprachlicher Begriffe in die Deutsche Sprache bei einem Großteil der inländischen Sprachprofessorenriege seit jeher als verpönte Freveltat angesehen wird, die bekämpft und ausgerottet gehört. So schwärmen selbsternannte Linguistikexperten wie Wolf Schneider von der  einstigen Jungfräulichkeit der deutschen Sprache, die um jeden Preis zurückgewonnen werden müsse.

Bei der Suche nach handfesten Argumenten kann es vorkommen, dass besagte Experten in Ihrer Hilflosigkeit einen Sündenbock gefunden zu haben glauben, der anschließend für diverse „Schandtaten“ an der deutschen Sprache zu Verantwortung gezogen werden kann. Einer dieser bedauernswerten Pseudo-sprachvandalisten ist der weit verbreitete „Anglizismus“: Er beschreibt flächendeckend aus dem englischen ins deutsche integrierte Begriffe, wie zum Beispiel Laptop, tweet oder Coctail, die nach und nach ein Teil unseres alltäglichen Sprachgebrauches geworden sind. Nun besitzen - laut diverser Experten - diese Anglizismen die Dreistigkeit, die deutsche Sprachvielfalt erheblich zu schmälern und den kreativen deutschen Kopf um die Möglichkeit zu bringen, neue deutsche Begriffe für noch namenlose Dinge zu ersinnen - allein der Name „Anglizismus“ ist durch seine häufige, negative Verwendung in Artikeln und co mit einem dermaßen schlechten Ruf behaftet, dass er von vielen schon als Synonym für „Sprachverunstaltung“ verwendet wird.

Mir persönlich aber stellt sich die Frage, was der Anglizismus seinen Kritikern angetan haben muss, um von diesen dermaßen verrissen zu werden - leben wir doch eigentlich in einer Zeit, in der Integration im allgemeinen als Bereicherung für Kultur und Gesellschaft angesehen wird. Natürlich kann Integration auch schief gehen. Noch aber wurde ich von keinem zwielichtig aussehenden Anglizismus in einer schmutzigen Seitenstraße dazu aufgefortert, Ihm sämtliches Bargeld auszuhändigen.

Es ist ein Irrtum zu glauben, Anglizismen würden aus reiner Willkür von Leuten mit geringer Sprachsensibilität gebraucht werden. Häufig festigen solche Begriffe sich erst dann im allgemeinen Sprachgebrauch, wenn sie eine Kommunikationslücke in diesem füllen können: Jeder Jugendliche wird bestätigen, dass chillen etwas anderes wie entspannen ist; wenn etwas cool ist muss es nicht automatisch toll sein – irgendwo können aus dem englischen übernommene Begriffe manchmal Dinge verdeutlichen, die man im deutschen schlecht  hätte sagen können. Sie wären überrascht, wie eindeutig manche Jugendliche einen Zustand durch das Verwenden von passenden Anglizismen beschreiben können.

Seien wir ehrlich: Solange es Wolf Schneider noch nicht gelungen ist, den Beweis zu erbringen, dass Anglizismen für das Schmelzen der Polkappen verantwortlich sind (und ich sehe mich zuversichtlich, dass ihm früher oder später auch dafür eine Erklärung einfallen wird), sind sie eine willkommene Abwechslung und Bereicherung für die deutsche Sprache.
Denn letztere ist letztendlich auch nur Teil unserer deutschen Kultur, und es wäre naiv, leugnen zu wollen, dass diese nicht ständig von fremden Einflüssen  neu geformt und verändert wird - und multikulti hat noch niemandem geschadet.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Segelboot aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.