„To-Do“ or „Not-To-Do“ – Das ist hier die Frage von Johanna Diehl
"Erledigt"-Kolumne aus dem Leistungskurs Deutsch, Stufe 11, des Gymnasiums Nieder-Olm bei Mainz
09.09.2015

„Ja natürlich, gar kein Problem, ich setze das sofort auf meine To-Do-Liste…!“ Jaja, wenn ich das schon höre, kringeln sich bei mir die Zehennägel und mein rechtes Augenlid beginnt nervös zu zucken. Denn wer kennt das nicht? Etwas muss erledigt werden doch gerade ist dafür keine Zeit – weil zu busy – also setzt man es auf die To-Do-Liste, zu Deutsch Zu-Tun- oder Noch-zu-erledigen-Liste. Oder wie ich gerne sage: Liste der Pseudo-Erledigungen. Denn – Hand aufs Herz – wie lange muss eine Aufgabe auf dieser Liste vor sich hingammeln bis sie durch ein energisches Häkchen erlöst wird? Genau, eine Ewigkeit!
Viele Anhänger der To-Do-Fraktion loben die Struktur und Übersichtlichkeit dieser Listen, doch bei näherem Hinsehen stellt der naive Erstnutzer fest, dass es sich bei dem Wundermittel doch nur um eine Schummelei aus der Trickkiste der Aufschiebetaktiker handelt.

Früher sagte man einfach „Nein, keine Zeit!“, aber wer möchte heutzutage nicht mit dem offenen und positiven Strom der Business-Highsociety schwimmen? Diese schafft alles, kann alles und ein „Nein“ ist vollkommen ausgeschlossen! Doch wie ist dieser Berg an Zusagen und Aufgaben abzuarbeiten? Unverbindlichkeit heißt das Zauberwort! Setze ich eine Aufgabe auf meine schicke To-Do-Liste, habe ich das pessimistische „Nein“ geschickt umgangen, und doch habe ich die Freiheit, mir alle Zeit der Welt für das Erledigen zu nehmen. Praktisch, nicht wahr? Nichts wird abgelehnt, jeder bekommt sein „Ja“! So entsteht der Eindruck einer leistungsfähigen Gesellschaft mit dem Versprechen, dass alles, was auf der Liste steht, in Zukunft (egal wie fern) erledigt sein wird. Das klingt doch vielversprechend! Das „wann“ ist hierbei nebensächlich, sodass die To-Do-Liste doch nur dazu dient, den Aufschieber zu beruhigen: „Ich hab’s zwar NOCH nicht gemacht, aber es steht ja immerhin auf meiner Liste…“

In einer Gesellschaft, in der sich jeder Burnout-geplagte Büroesel an Highclass-Businesshengsten orientiert, die allein zum Zweck der Profitsteigerung gezüchtet zu sein scheinen, landen unweigerlich Dinge in der Warteschleife, um wenigstens den Eindruck eines Vorankommens zu suggerieren. Denn wer nicht mithält (oder so tut als ob), wird ausgesiebt! Unglücklicherweise gibt es zwischen „To-Do“, also „Noch-zu-tun“, und „Nicht gemacht“ nur einen Unterschied der Begrifflichkeiten, denn unterm Strich ist das Ergebnis in beiden Fällen identisch: nämlich nichts!

Wer nicht anfängt zu tun, kann so viele Listen schreiben wie er will! Und vielleicht gestalten sich politische Prozesse ja deshalb so langwierig, weil eben jeder Bundestagsheini mit seiner eigenen kleinen (Pseudo-) To-Do-Liste vollends ausgelastet ist…?

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