Klartext statt Worthülse von Tabea Fink
"Erledigt"-Kolumne aus dem Leistungskurs Deutsch, Stufe 11, des Gymnasiums Nieder-Olm bei Mainz
09.09.2015

Ja, haben wir denn keine anderen Probleme? Das könnte man sich fragen, wenn man die diversen Kommentare und Glossen liest, in denen Autoren, wild mit dem Zeigefinger fuchtelnd, den Gebrauch von Worthülsen anprangern. Na und? Könnte man sich denken, wen kümmert es denn, ob Formulierungen wie „zeitnah“, „ergebnisoffen“ oder „ich bin ganz bei Ihnen“ eine Aussage haben?

Sprache wandelt sich eben! Und selbst wenn dann mal das ein oder andere völlig „sinnfreie“ Wort hinzukommt, das nur dazu dient, Sätze „komplexer“ wirken zu lassen und gelegentlich den Zuhörer zu „irritieren“, dann ist das doch kein Problem! Ist es nicht viel wichtiger, die Flüchtlinge zu retten, die in vollkommen überfüllen Nussschalen vor der Küste Lampedusas dümpeln, statt unsere Sprache? Warum blasen die sich eigentlich so auf, die Kolumnisten von Spiegel, Zeit und Co?

Der griechischen Normalbevölkerung geht es dreckig, weil die Reichen das gesamte Geld verpulvert haben. Ebola wütet immer noch, was die Medien aber längst schon wieder vergessen haben. Und wir Deutschen heulen herum, weil unsere Sprache heute nicht mehr so klingt wie zu Zeiten Goethes. Als ob der keine Worthülsen verwendet hätte! Denn seien wir ganz ehrlich: „Walle walle“ klingt zwar ganz gut, ist aber auch nicht gerade sinntragend. Warum sollen die also ein Problem sein, die Worthülsen?
Wer so argumentiert, übersieht leider die gravierenden Folgen, die Worthülsen haben können. Stellen wir uns Situationen in der Politik vor. Stellen wir uns vor, was es für die Flüchtlinge bedeutet, wenn Angela Merkel sagt, die Hilfe komme „zeitnah“. Stellen wir uns vor, was es für die Griechen bedeutet, wenn Finanzminister Schäuble sagt, die Verhandlungen über finanzielle Unterstützung sei bisher „ergebnisoffen“. Faktisch heißt dies für die Flüchtlinge: „ Bis Hilfe kommt, ist euer Boot eh abgesoffen.“ Und den Griechen könnte man auch gleich ins Gesicht sagen, dass sie kein Geld mehr bekommen.

Im Alltag verwenden wir alle Worthülsen, das ist nicht weiter schlimm, aber in der Politik stehen sie für leere Aussagen, die wahre Probleme nicht benennen und keine Lösungen mit Substanz bieten. Würden unsere Politiker in Zukunft auf Worthülsen verzichten, wäre ich ganz bei ihnen.

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