Die Karriere ist ihm wichtig, die Arbeit steht an erster Stelle. Das ist auch gut so sagt der Witwer mit vier Kindern
07.10.2010

Manchmal habe ich schon gedacht, es wäre besser gewesen, wenn ich gestorben wäre und nicht meine Frau. Und dann auch wieder nicht. Wahrscheinlich hätte sich meine Frau ganz für die Kinder aufgeopfert. Ich tue das nicht. Zu mir sagen die Leute: Du bist ganz schön egoistisch, du denkst nur an deine Karriere. Da sage ich dann: "Und das ist auch gut so."

Als meine Frau vor drei Jahren an Krebs starb, waren die Drillinge acht, unsere älteste Tochter hatte gerade Konfirmation. Nach der Beerdigung habe ich gleich wieder angefangen zu arbeiten. Als Führungskraft im Vertrieb bin ich viel unterwegs, im vergangenen Jahr hatte ich 113 Reisetage. Wer so was als Alleinerziehender wagt, wird angefeindet. Von Leuten, die mir ihre Moral überstülpen wollen, und von Leuten, die von der Situation profitieren wollen - denn wenn ich in meiner Position schwächele, dann wird ja wieder Platz. Das ist ein Haifischbecken. Es gab sogar Leute in meiner Firma, die mir sagten, wie mein Leben nach dem Tod meiner Frau auszusehen hat: Ich müsste mich jetzt primär um die Kinder kümmern, müsste einen Halbtagsjob annehmen, in eine kleine Wohnung ziehen. Ich sagte: "Wissen Sie, solange ich geradeaus gehen kann, wird das mit Sicherheit nicht passieren."

Nächste Woche bin ich am Montag im Büro, fliege abends ins Ausland und Donnerstagabend zurück, bin am Freitag wieder im Büro. Das ist so eine klassische Arbeitswoche, während der eine Haushälterin die Kinder versorgt. Am Wochenende kümmere ich mich dann um die Kinder. Unter der Woche halten wir telefonisch Kontakt: Die Kinder rufen mich an. Ich rufe nie an. Wenn ich früher zu Hause anrief und fragte: "Wollt ihr mich sprechen?", sagten die: "Ach nee, Papa, alles in Ordnung." Die rufen mich an, wenn sie was entschieden haben wollen oder was brauchen.

Nur ein einziges Mal dachte ich hinterher, ich wäre besser zu Hause gewesen. Eins der Kinder sollte auf eine andere Schule gehen, die viel näher an zu Hause ist, aber es kam damit nicht zurecht. Ich saß in Schweden und versuchte es am Telefon. Aber das Kind war völlig aufgelöst, hatte Panik in der Stimme, da war nichts mehr an Diskussion möglich. Dann haben wir eben entschieden, dass es wieder auf die alte Schule gehen kann. Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich ganz anders einwirken können. Mit solchen Kompromissen muss man leben können.

Klar habe ich jetzt mehr Verständnis für die Nöte von Alleinerziehenden

Natürlich könnte ich jederzeit den Tagesplan umwerfen. Es ist Wichtigtuerei, wenn Leute sagen, sie könnten das nicht. Wenn ich einen Termin mit einem Kunden habe, muss ich halt einen neuen Termin machen. Ist aber noch nie vorgekommen. Vielleicht weil ich den Kindern von Anfang an ganz klar gesagt habe: Damit wir diesen Lebensstandard halten können, hat die Arbeit oberste Priorität. Wenn ihr ein Problem habt, müsst ihr das selber lösen oder warten, bis ich wieder da bin. Das haben sie verinnerlicht. Wenn sie wirklich Probleme haben, reden wir darüber, wenn ich wieder da bin. Oder sie gehen zu ihren Geschwistern oder zu ihren Patentanten. Ich werde damit meinen Kindern extrem gerecht, weil sie mich durch diese klaren Prinzipien als sehr stark erleben. Kinder fühlen sich wohl, wenn sie wissen, dass die Eltern stark sind.

Klar habe ich jetzt mehr Verständnis für die Nöte von Alleinerziehenden - auch als Vorgesetzter. Viel mehr. Ich bin ein großer Befürworter von Teilzeit, auch wenn ich selbst das nicht machen möchte. Teilzeitkräfte reden nicht so viel mit Kollegen auf dem Flur, die kommen rein, arbeiten ihr Zeug runter und gehen wieder, die sind sehr effektiv. Alleinerziehende haben auch gelernt, anders zu organisieren und zu delegieren. Delegieren heißt ja, dass ich mit den Entscheidungen der anderen leben kann.

Ja, ich verzichte darauf, dass die Kinder stark von mir geprägt werden, und ich verzichte auf ein intensives Familienleben. Aber ich denke, dass meine Kinder selbstständiger sind als viele andere, die verhätschelt werden und ständig die erste Geige spielen. Und wir werden auch die nächste Herausforderung meistern: Meine künftige Arbeitsstelle ist rund dreieinhalb Autostunden von unserem Wohnort entfernt.

Protokoll: Axel Reimann

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