Frauen und Geld - eine ganz spezielle Beziehung. Mehr Selbstbewusstsein, bitte!
30.11.2010

Meine Freundin Ira reißt die Tür zu ihrem Schrank auf und deutet mit Grabesmiene auf einen Stall von Schuhen und Markengarderobe von Armani bis Tod's. Sie hat die Kündigung für ihr Apartment und eigentlich würde sie jetzt gern eine Eigentumswohnung kaufen. Als Selbstständige verdient sie gut, lebt aber aufwendig und hat nun nichts auf der Kante für die Anzahlung der eigenen vier Wände.

So einen Spargroschen könnte unsere gemeinsame Freundin Gaby auch dringend gebrauchen. Die zweifache Mutter jobbte bislang meist in Teilzeit, und das Ergebnis des Ehegattensplittings ging all die Jahre für den Familienurlaub drauf. Jetzt lässt sie sich scheiden und stellt fest, dass sie nach der neuen gesetzlichen Lage für ihr Einkommen selber verantwortlich ist, da das jüngere ihrer Kids älter ist als acht. Das wird wohl nicht ganz einfach werden. Auch ihre Nachbarin Maria hat Sorgen: Als sie vor 15 Jahren geschieden wurde, bekam sie von den auf ihren Ex laufenden Lebensversicherungen nur ihren Anteil vom Zeitwert. Der Gatte behielt die Policen. Fazit für Maria: Sie hat die mageren Jahre der Einzahlung mitgetragen, die fetten Jahre der Auszahlung kommen nun der Drittgattin zugute; sie selber lebt von rund 400 Euro Rente im Monat.

Nur ein paar Beispiele aus dem Freundeskreis - aber sie illustrieren, warum ich so vielen Frauen zurufen möchte: "Mädel, wo bleibt deine Selbstverantwortung? Probleme mit Geld sind besser als Probleme ohne Geld! " Für Männer ist es selbstverständlich, genug auf die Seite zu schaffen, dass der Lebensstandard nicht gleich zusammenbricht, wenn mal was danebengeht. Für sich selbst finden viele Frauen dieses Verhalten egoistisch oder unethisch. Sie leben nach der Devise: Männer verdienen das Geld, und Frauen geben es wieder aus. Zum Wohle der Familie natürlich, aber nicht zur persönlichen Absicherung. Brave Mädchen sind selbstlos - das zeigt schon der gesamte deutsche Märchenschatz, in dem sich keine Fabel findet, in der ein weibliches Wesen zu Reichtum käme, das nicht sittsam und bescheiden wäre. Sterntaler muss sich bis aufs Hemd ausziehen, bevor es Gold regnet, und nicht die reich geschmückten Schwestern kriegen den Prinzen, sondern Aschenputtel. Die ist nämlich nett und macht den Haushalt.

 

Zwei Drittel der Rentnerinnen leben von weniger als 750 Euro im Monat

 

Altersarmut ist ein weibliches Problem. Von den über 65-Jährigen, die von Sozialhilfe leben, sind zwei Drittel Frauen. Die hohe Zahl könnte mit daran liegen, dass sie rund sieben Jahre länger leben als Männer, aber ein Blick auf die Rentenempfänger offenbart die reale Lücke: Zwei Drittel der Rentnerinnen erhalten weniger als 750 Euro im Monat, bei den Männern jedoch kriegen sechs von zehn zwischen 900 und 1500 Euro. Mit dem angesparten Vermögen ist es auch nicht weit her: Laut "Investmentbarometer" der Gesellschaft für Konsumforschung verfügen Frauen über deutlich weniger Privatvermögen als Männer. Nur fünf Prozent der westdeutschen Frauen besitzen mehr als 50 000 Euro.

Frauen leben also länger, bloß wissen sie oft nicht, wovon. Warum? Einerseits spielen die typisch weiblichen Karrierebiografien inklusive Babyjahren eine Rolle; andererseits haben viele Frauen auch schlicht ein gebrochenes Verhältnis zu Geld. Befragt man Finanzexperten, hört man, dass sich noch immer viele auf ihren Gefährten verlassen und sich selber nicht um die Vermögensbildung kümmern. Diejenigen, die ihr finanzielles Schicksal in eigene Hände nehmen, fürchten sich oft vor Risiken und überlegen vielfach nicht rational, wie sie ihr Portfolio am erfolgreichsten strukturieren könnten. Und für beide Gruppen gilt: Viele Frauen verdienen zwar weniger als ihre Männer, zahlen aber gleich viel in die gemeinsame Haushaltskasse. Das bedeutet: Sie steckt in den Konsum, er packt, was übrig ist, derweil in seine persönliche Vorsorge. Die Folgen klingen dann ungefähr so: "Als immer voll berufstätige Frau und Akademikerin, mit der typisch weiblichen Patchwork-Erwerbsbiografie (inklusive der Auszeiten) und dem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschuldeten Arbeitsplatz mit Überqualifizierung, sehe ich mich aktuell einer Rente von etwa 500 Euro gegenüber", schreibt eine 55-jährige Frau im Forum einer Wochenzeitung.

Nicht einmal die Finanzkrise konnte den Wunsch wecken, für eine womöglich wackelige Zukunft besser vorzusorgen, sagt Heide Härtel-Herrmann vom Frauenfinanzdienst: "Ich beobachte seit dem Beginn der Krise eine größere Zurückhaltung bei Frauen, sich um ihre Altersversorgung zu kümmern und persönliche Geldangelegenheiten souverän zu entscheiden. Lag die Quote der aus unterschiedlichsten Gründen Unentschlossenen in der Zeit davor bei zehn bis 20 Prozent, ist sie inzwischen bestimmt auf 50 bis 60 Prozent angewachsen, Tendenz steigend."

Interessanterweise wird den Damen die Vermeidungshaltung in Sachen Geld in der gegenwärtigen Finanzkrise oft auch noch als Tugend angerechnet. Wenn sie es denn überhaupt tun, investieren Frauen nämlich nachweislich langfristiger und weniger riskant als Männer - und es waren doch vor allem Kerle, die mit seltsamen Derivaten zockten und die Wirtschaft nach unten rissen. Hätten die sanfteren, risikoscheuen Frauen mehr zu sagen gehabt, wäre das alles so nicht passiert - dieser Schluss drängt sich auf und wird auch von vielen Eminenzen ventiliert.

Klaus Schwab beispielsweise, Gründer des World Economic Forum, sagt: "Mehr Frauen müssen in Führungspositionen, um künftig solche Krisen abzuwehren." Diese Hypothese leidet nur daran, dass sie nicht zu beweisen ist. Und es gibt Gegenbeispiele: Im Vorstand der Pleitebank Hypo Real Estate war mit Bettina von Oesterreich eine Frau für die Risikoabsicherung verantwortlich.

Ich weiß auch nicht, ob es der weiblichen Welt als Tugend anzurechnen ist, dass sie sich im Job immer noch mit weniger Gehalt für die gleiche Arbeit abspeisen lässt. Laut Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung verdienen Akademikerinnen fünf Jahre nach dem Abschluss durchschnittlich 20 Prozent weniger als Akademiker des gleichen Jahrgangs. Das ist zwar unfair, aber nicht verwunderlich, denn Befragungen belegen: Nur etwas mehr als die Hälfte der weiblichen Studierenden finden bei der Wahl des Studienfachs die Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten wichtig. Bei ihren männlichen Kommilitonen sind es 75 Prozent. Entsprechend wenig wettbewerbsorientiert verhandeln die jungen Frauen dann offensichtlich auch ihre Gehälter.

Ich finde: Frauen sollten endlich ein liebestolles Verhältnis zu Geld entwickeln. Ob es nun um eine Gehaltserhöhung geht, einen Kredit bei der Bank oder das Nicken des Ehemanns zu einer eigenen privaten Altersversorgung - Schluss mit dem Auftritt als Bittstellerin. Wenn sich Frauen in einer Welt, in der weitgehend Geld der Maßstab für Erfolg und Prestige ist, immer nur abspeisen lassen, erlaubt das nicht auch Rückschlüsse auf ihre eigene Meinung von der Bedeutung ihrer Leistung? Bitte mehr Selbstbewusstsein! Im Übrigen blamiert sich keine, wenn sie Anfängerfragen stellt - es gibt in jeder deutschen Großstadt auf Frauen spezialisierte Finanzberaterinnen, die geduldig weiterhelfen.

 

Geld steht für Freiheit und Sicherheit, auch für die Freiheit, einmal Nein zu sagen

 

Viele Frauen werden jetzt einwenden, Geld sei nicht alles im Leben, andere als finanzielle Werte seien die eigentlich wichtigen: Wo käme die Welt hin, wenn jetzt auch noch die Frauen und Mütter anfingen, hinter dem schnöden Mammon herzurennen? Viele stilisieren sich so zum letzten Hort der Wärme in einer stets kälter werdenden materiellen Welt. Ich halte das nicht nur für falsch, sondern auch für unehrlich. Geld steht nämlich auch für Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit, mal Nein sagen zu können, im Job wie privat - und die Sicherheit, klarzukommen, auch wenn der Gatte durchgeht oder die Kinder später nicht helfen können, die Rente aufzubessern. Das sind wichtige Werte!

Hinzu kommt: Nur wer über genug Geld zum Leben verfügt, hat Zeit und Energie übrig, um sich mit den "wahren Werten" zu beschäftigen. Last but not least: Nur wer ein ordentliches Alterseinkommen hat, fällt am Ende nicht der Familie oder der Gesellschaft zur Last. So gesehen ist der persönliche Spargroschen, den so viele Frauen als vom Familieneinkommen abgezwackten Egoismus betrachten, eine zutiefst soziale Tat.

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