Niemals Selten Manchmal Immer"
Niemals Selten Manchmal Immer"
2020 Focus Features
"Niemals Selten Manchmal Immer"
28.09.2020

Schwanger. Das hätte nicht passieren dürfen, nicht in dieser provinziellen Stadt in Pennsylvania, nicht mit 17. Autumn hat keine feste Beziehung; der Junge, mit dem sie eine Affäre hatte, beschimpft sie bei einem Talentwettbewerb als slut, Schlampe. Sie lebt noch zu Hause, in bedrückenden Familienverhältnissen, der Job an der Supermarktkasse bietet keine Sicherheit. Autumn weiß genau, dass ein Baby jetzt kein Glück für sie wäre; sie will einen Abbruch.

In der lokalen Klinik aber wird sie nicht nur unter Druck gesetzt, sondern über den Stand ihrer Schwangerschaft belogen. Und in ihrem Bundesstaat braucht sie für eine Abtreibung die Einwilligung der Eltern. Heimlich, begleitet von ihrer einfühlsamen Cousine, mit unterschlagenem Geld, das gerade für die Busfahrt reicht, reist sie nach New York. In der Metropole gibt es für ungewollt Schwangere, auch Minderjährige wie Autumn, Anlaufstellen. Aber als klar wird, dass sie nicht in der zehnten, sondern bereits in der achtzehnten Woche ist, kompliziert sich ihre Lage.

Der Kampf um Geburtenkontrolle ist ein Minengelände

"Niemals Selten Manchmal Immer", für den die amerikanische Independent-Regisseurin Eliza Hittman auf der Berlinale einen Silbernen Bären bekommen hat, behandelt in extremer Verdichtung und mit größter Umsicht ein Thema, das auch nach mehr als hundertjährigem Kampf um Geburtenkontrolle ein Minengelände ist. Nicht nur in den USA, wo konservative Staaten drohen, das im Grundsatz liberale Abtreibungsrecht auszuhebeln, sondern auch in Deutschland und auch in Teilen des protestantischen Spektrums, wo der Druck auf Abtreibungskliniken, Ärzte und Frauen wieder wächst.

Hittman agitiert nicht. Über weite Strecken folgt ihr Film den Protagonistinnen auf einer trostlosen Odyssee durch Busbahnhöfe, Hamburgerläden und Warteräume – in empathischen, sinnlichen Großaufnahmen, die jede Gefühlsregung registrieren, Enttäuschung, Angst, stille Entschlossenheit. An den Rändern, im Hintergrund fangen die Bilder aber noch mehr ein: Eltern, die ihre Kinder aufgegeben haben, Männer, die gewohnheitsmäßig Frauen bedrängen, eine Gesellschaft, die an den Bedürfnissen der Jugendlichen schlicht vorbeigeht. Und es sind dieser umfassende Blick und die subtile Erzählweise, die aus "Niemals Selten Manchmal Immer" mehr als einen politischen: einen großen Film machen.

© Universal Pictures

Produktion: Lia Buman, Rose Garnett, Tim Headington, Sara Murphy, Alex Orlovsky, Elika Portnoy, Adele Romanski; USA, Vereinigtes Königreich 2020

Regie und Buch: Eliza Hittman

Kamera: Hélène Louvart

Schnitt: Scott Cummings

Schauspieler: Sidney Flanigan, Talia Ryder, Théodore Pellerin

Dauer: 102 min.

Kinostart: 01.10.2020

Infobox

Die Jury der Evangelischen Filmarbeit ist ein unabhängiges Gremium. Evangelische Werke, Verbände und Einrichtungen benennen in vierjährigem Turnus die acht Mitglieder der Jury. Sie erfüllt ihren Auftrag im Rahmen des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik gGmbh. Sie hat bis heute über 750 Spiel- und lange Dokumentarfilme als Filme des Monats ausgezeichnet, die sich durch ihre herausragende Qualität zur Diskussion anbieten und Impulse zu verantwortlichem Handeln geben. Sie setzt damit Maßstäbe für eine anspruchsvolle Bewertung des jeweils aktuellen Kinoangebots.

Die Jury zeichnet Filme aus, die dem Zusammenleben der Menschen dienen, zur Überprüfung eigener Positionen, zur Wahrnehmung mitmenschlicher Verantwortung und zur Orientierung an der biblischen Botschaft beitragen. Sie berücksichtigt dabei die filmästhetische Gestaltung, den ethischen Gehalt und die thematische Bedeutsamkeit des Films. Keiner dieser Aspekte darf allein Ausschlag gebend sein; sie sollen vielmehr in ihrer wechselseitigen Beziehung bewertet werden. Zur Nominierung eines jeden Films veröffentlicht die Jury eine Begründung, die auch im Internet abgerufen werden
kann.

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