Fabian oder der Gang vor die Hunde
Fabian oder der Gang vor die Hunde
Lupa Film / Hanno Lentz
"Fabian oder der Gang vor die Hunde"
26.07.2021

Berlin Anfang der Dreißiger. Jakob Fabian, der von allen nur bei seinem Nachnamen genannt wird, kommt aus Dresden, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, und führt in der Metropole das vorläufige, unstete Leben eines Bohemiens. Er wohnt möbliert und arbeitet in einer Werbeagentur – ein Job, auf den er wenig Ehrgeiz verwendet, er sieht sich als Schriftsteller.

Nachts lässt er sich trinkend und kettenrauchend durch Clubs, Bordelle, Künstlerateliers treiben. In seinen Beziehungen dagegen ist Fabian keineswegs flatterhaft: Er hält zärtlich die Verbindung zu seiner Mutter, unterstützt seinen Studienfreund Labude, der aus einer reichen Familie kommt, politisch aber auf die Arbeiterklasse setzt, und wirft sich rückhaltlos in eine Romanze mit Cornelia, die davon träumt, Schauspielerin zu werden. Doch irgendwann beginnt Fabians Leben zu zerbröseln. Er wird arbeitslos, Cornelia verrät ihn an ihre Karriere, Labude verschwindet. Etwas ist faul in diesem Berlin; etwas scheint alle Verhältnisse, private wie geschäftliche, zu vergiften.

Kein konventioneller Historienfilm

Dominik Grafs freie Adaption des Romanklassikers von Erich Kästner beginnt mit einer langen Fahrt durch eine moderne U-Bahnstation. Wenn die Kamera im Berlin der Weimarer Republik auftaucht, ist klar: Dies ist kein konventioneller Historienfilm. Graf mischt eine fast Nouvelle-Vague-hafte Leichtigkeit und Direktheit in den intimeren Momenten mit schwarzweißen Archivaufnahmen aus dem alten Berlin und expressiven Gruppenszenen.

Während die Figuren ganz in ihrer Gegenwart leben, verfügt die Inszenierung über das Wissen der Nachgeborenen – da kann es schon mal sein, dass der Kamerablick die "Stolpersteine" streift, die heute in vielen Städten an die Shoah erinnern. Die historischen Brüche, auch in der Ausstattung, unterstützen das Bild einer Gesellschaft im Übergang von der Demokratie zur Diktatur. Nazi-Funktionäre und SA-Trupps bewegen sich hier noch am Rand – aber es ist klar, dass das von Konkurrenzdruck und Hyperindividualismus geprägte Künstler- und Intellektuellenmilieu der Stadt ihnen nichts entgegenzusetzen hat. So bricht der Film mit dem Mythos der weltläufigen, glamourösen, vom Faschismus überrumpelten Metropole Berlin – und gewinnt eine unheimliche Aktualität. 

© DCM

Deutschland 2021, Regie: Dominik Graf, Buch: Dominik Graf und Constantin Lieb, Verleih: DCM, Kinostart: 05.08.2021

Infobox

Die Jury der Evangelischen Filmarbeit ist ein unabhängiges Gremium. Evangelische Werke, Verbände und Einrichtungen benennen in vierjährigem Turnus die acht Mitglieder der Jury. Sie erfüllt ihren Auftrag im Rahmen des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik gGmbh. Sie hat bis heute über 750 Spiel- und lange Dokumentarfilme als Filme des Monats ausgezeichnet, die sich durch ihre herausragende Qualität zur Diskussion anbieten und Impulse zu verantwortlichem Handeln geben. Sie setzt damit Maßstäbe für eine anspruchsvolle Bewertung des jeweils aktuellen Kinoangebots.

Die Jury zeichnet Filme aus, die dem Zusammenleben der Menschen dienen, zur Überprüfung eigener Positionen, zur Wahrnehmung mitmenschlicher Verantwortung und zur Orientierung an der biblischen Botschaft beitragen. Sie berücksichtigt dabei die filmästhetische Gestaltung, den ethischen Gehalt und die thematische Bedeutsamkeit des Films. Keiner dieser Aspekte darf allein Ausschlag gebend sein; sie sollen vielmehr in ihrer wechselseitigen Beziehung bewertet werden. Zur Nominierung eines jeden Films veröffentlicht die Jury eine Begründung, die auch im Internet abgerufen werden
kann (www.filmdesmonats.de).

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.