Schwedische Filmemacher können nicht nur Krimi. Das ergreifende Familiendrama „Bessere Zeiten“
07.10.2012


Eine glückliche Familie feiert traditionell schwedisch den Santa Luciatag. Morgens im Bett, liebevoll und routiniert. Nichts deutet darauf hin, wie anders die Kindheit der Mutter der beiden Mädchen war. Leenas Mutter lag in diesen frühen Stunden noch betrunken im Bett, während der Vater die rohen Eier direkt aus dem Kühlschrank frühstückte. Ein Anruf aus dem Krankenhaus reißt Leenas Gedanken zurück in diese Zeit. Ihre Mutter liegt im Sterben. Die erwachsene Tochter versucht der Situation auszuweichen. Doch ihr Mann packt ohne weitere Erklärung Frau und Kinder ins Auto, um mit ihnen zur unbekannten sterbenden Oma ans andere Ende des Landes zu fahren.

In den bruchstückhaften Erinnerungen der erwachsenen Leena erfährt der Zuschauer immer mehr über deren jüngeres Ich. Die etwa zwölf Jahre alte Leena zieht sich und ihren kleinen Bruder alleine groß. Niemals verfällt sie ins Jammern. Das Mädchen ist recht erfolgreich darin, sich die Welt selbst zu erklären. Ihre Eltern lieben sie, sind aber überfordert mit sich und der Welt in der sie leben. Nicht immer ist ihr Leben schlecht. Wenn der Vater es schafft trocken zu bleiben oder die Mutter aus ihrer Kindheit erzählt, erfährt der Zuschauer von ihren Träumen und ihrer Zuneigung für Leena, in der beide sich selbst gespiegelt sehen. Doch niemand sieht das Mädchen selbst. Die Eltern bleiben unberechenbar und jähzornig.

Offene Fragen

Die Besetzung ist überzeugend. Die 15-jährige Tehila Blad spielt die junge Leena trotz ihres jungen Alters bemerkenswert tiefgängig. Doch je weiter die physischen und psychischen Demütigungen voranschreiten desto unglaubwürdiger wird es, dass Leena je eine liebevolle Ehefrau und Mutter werden konnte. Die Aussage des Vaters: „Du bist ein Kämpfer. Du hast Rückrad.“ Scheint zwar mehr als richtig, reicht aber nicht als Erklärung.

Das Glück ist flüchtig. Die guten Zeiten kommen und gehen so plötzlich wie die schlechten, heute und damals. Fast nebenbei fragt der Film am Ende, wie wir auf unser Leben zuletzt zurückblicken, unsere Bilanz bewerten und was und wer zurückbleibt, wenn wir sterben. Neu ist die Geschichte nicht. Der trinkende, misshandelnde Vater, die vom Sozialneid zerfressene Mutter und der vernachlässigte kleine Bruder sind genau so bekannt wie Leenas aktuelle Situation. Der Tod der eigenen Mutter kann für jeden zur Zerreisprobe werden. Trotzdem ist der Film sehenswert, da er es schafft tief zu bewegen. Wer sich darauf einlässt kann Auflachen, während die Tränen der Wut und der Trauer auf den Wangen noch nicht getrocknet sind.

„Bessere Zeiten“ ist 2010 in Schweden erschienen und seit 14. Juni diesen Jahres überall in Deutschland auf DVD erhältlich. Ein Film von Pernilla August mit Noomi Rapace und Ola Rapace nach einer Erzählung von Susanna Alakoski,. Der Film wurde auf den Filmfestspielen 2010 in Venedig mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Jugendfreigabe ab 16.

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