28.02.2012

Der Iran sorgt regelmäßig für negative Schlagzeilen: Der Atomstreit mit dem Westen, die Inhaftierung ausländischer Journalisten, die Steinigung von Ehebrecherinnen. Doch was treibt die Machthaber in Teheran, sich immer wieder mit den westlichen Regierungen anzulegen? Und was ist aus den Demonstranten der „Grünen Bewegung“ geworden, die nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 so zahlreich auf die Straße gingen? Dem ZDF-Journalisten Kamran Safiarian gelingt es in seinem Buch, diese Fragen weitestgehend zu beantworten und einen Einblick in die diffusen Machtstrukturen und die gesellschaftlichen Verhältnisse der Islamischen Republik zu vermitteln.

Nüchtern und verständlich beschreibt er das Machtgerangel zwischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad und dem Obersten Religiösen Führer, Ayatollah Chamenei, der eigentlichen Autorität des Staates. Als Sohn eines Persers und einer Deutschen, der im Iran aufgewachsen ist und in Deutschland lebt, besitzt Safiarian die Kenntnis, aber auch die nötige Distanz, um ein reflektiertes Bild der iranischen Gesellschaft zu zeichnen.

Ein Leben in zwei Welten

Wer sich gefragt hat, ob nach den Revolutionen in Ägypten und Tunesien auch im Iran ein Regimewechsel möglich sei, erhält eine wenig zuversichtliche Einschätzung: Die Opposition sei zu zerstritten und ein eng gestricktes Netz aus verschiedenen Geheimdiensten, das sogar im Ausland Jagd auf Oppositionelle mache, verhindere den politischen Widerstand, schreibt Safiarian. In Ägypten und Tunesien schlug sich das Militär auf die Seite der Demonstranten. Um dieser möglichen Schwachstelle im Machtapparat vorzubeugen, gibt es im Iran die Pasdaran, eine zweite Streitmacht, auch als Revolutionsgarden bezeichnet. Deren Mitglieder genießen vielfältige Privilegien und sind stark in der Ideologie der Islamischen Republik verwurzelt.

„Wer in einer Gesellschaft wie der iranischen lebt, lebt immer in zwei Welten – der privaten zu Hause in den eigenen vier Wänden und der öffentlichen Welt draußen“, erklärt Safiarian. Überall bestehe die Gefahr, denunziert zu werden. Auch dass nirgends sonst auf der Welt so viele Drogenabhängige wie im Iran (absolut oder in Relation zur Gesamtbevölkerung?) leben, erklärt der Autor mit dieser doppelten Wirklichkeit. Tagsüber lebten die Iraner sich gegenseitig ein Leben nach strengen islamischen Moralvorschriften vor und abends ließen sie im Verborgenen die Masken fallen. Es komme vor, dass sie Alkohol direkt bei den Sittenwächtern kaufen, den die zuvor auf einer anderen Party beschlagnahmt haben.

Eine Art "Robin Hood"?

Zugleich bestünden große Unterschiede zwischen den Großstädtern mit eher westlich geprägten Ansichten und den streng gläubigen Muslimen auf dem Land, betont der Autor. Die „Grüne Bewegung“ war, anders als die Islamische Revolution 1979, keine Volksbewegung. Vor allem Studenten und Studentinnen aus den Städten brachten auf der Straße ihren Unmut über die Wahlen und das Regime zum Ausdruck.

Auf dem Land genießt  Ahmadinedschad, den Safiarian als religiösen Fanatiker beschreibt, dessen „Unberechenbarkeit“ der Westen unbedingt ernst nehmen sollte, einen weitaus größeren Rückhalt. Für die Armen, die er mit seinem angeblich einfachen Lebensstil beeindruckt hat, sei er eine Art „Robin Hood“.  Auch wenn er mit seiner Wirtschaftspolitik dazu beigetragen hat, dass der Lebensstandard von Jahr zu Jahr sinkt. Die „Grüne Bewegung“ hat die Menschen in Ägypten und Tunesien dazu inspiriert, auf die Straße zu gehen. Doch ihre Aktivisten wurden nicht mit Freiheit belohnt, sondern sitzen zum großen Teil im Gefängnis.

Kamran Safiarian: Pulverfass Iran. Wohin treibt der Gottesstaat?, Herder Verlag, Freiburg 2011, 198 Seiten, 14,95 Euro

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