Ein Selbsterfahrungsbericht von Christian Seidel und mehr zum Workshop von Diane Torre
23.07.2014

Endlich mal die Gefühle zeigen

Christian Seidel hat über ein Jahr als Frau gelebt. Er schrieb darüber das Buch „Seidel ist glücklich verheiratet und von Beruf unter anderem Medienmanager, erfolgreich. Aber etwas fehlte ihm. Er sei genervt gewesen von der Männerrolle, schreibt er. Den Männerzirkus mit seinem „mentalen Reissverschlusshochziehen“ hatte er satt. Es ging ihm nicht darum, mal im Rock um den Block zu laufen, sondern darum, sich lebendiger zu fühlen, all seine Gefühle zeigen zu dürfen, statt wie die meisten Männer „wie Statuen in Krawatte auf antiquierten Podesten zu stehen“. Zwar fühlte er sich als langbeinige Christiane mit großem Busen bald „wie ein Schleckeis auf zwei Beinen“ und entging nur knapp einer Vergewaltigung im Park, aber in Privaträumen mit anderen Frauen genoss er eine neue Freiheit. Über was man da ganz offen alles reden konnte! Und er fand es großartig, auch mal Weichei sein zu dürfen, wenn ihm so zumute war.

Hier ein kurzes Video über seine Erkenntnisse.

Hier sein Blog.
 

Christian Seidel: Die Frau in mir: ein Mann wagt ein Experiment“ (Heyne-Verlag 2014, 12,99 Euro.

Mehr zum Workshop

Diane Torr erzählt hier von ihrer Kindheit, ihren Entdeckungen als Performerin, von den Anfeindungen und Zustimmungen, die sie erfuhr, von ihrem zeitweisen Geld-Job als Gogo-Tänzerin und von den Erlebnissen in den „Man for a day“-Workshops. Das Buch schrieb sie zusammen mit Stephen Bottoms, Professor für zeitgenössisches Theater in Manchester.

Diane Torr: „Sex, Drag and Male Roles – investigating gender as performance“ (2010, The University of Michigan Press, 20,10 Euro.

Wundersam und informativ

Ein wundersames Buch, das es leider auch antiquarisch kaum noch zu kaufen gibt, aber womöglich per Fernleihe erhältlich ist: „‘Weibliche‘ und ‚männliche‘ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse“ von Marianne Wex (1979). Die Fotografin hat über 2000 Fotografien versammelt von Frauen und Männern, wie sie sitzen, stehen, gehen etc. Faszinierend auch die „Ausnahmen“: Auf erotischen Fotos werden Frauen durchaus in männlichen Posen inszeniert: Mit fast nichts am Leib stellen Frauen dann ein Bein hoch oder sitzen breitbeinig. Und: Weibliche und männliche Steinstatuen im frühen Mittelalter sitzen gleichermaßen breitbeinig. Tolle Fotosammlung, Texte vernachlässigenswert (im Stil eines 70er-Jahre-Wüterich-und-Anklag-Feminismus).

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