28.02.2012

Zeno Hintermeier ist sperrig, eigenbrödlerisch und nicht besonders sympathisch. Aber er hat eine Leidenschaft: er liebt das ewige Eis. Jahrzehntelang besucht und erforscht er einen Gletscher in den Alpen, hält auf internationalen Konferenzen warnende Vorträge über die Erderwärmung und ihre Folgen und kann doch das Sterben „seines“ Gletschers nicht verhindern.

Hintermeier beendet seine wissenschaftliche Karriere und – weil es gerade so gut passt – zugleich seine unglückliche Ehe. Auf Vermittlung eines früheren Kollegen heuert der Glaziologe als Lektor und Expeditionsführer auf einem Kreuzfahrtschiff an, auf dem sich betuchte Touristen die unberührte Schönheit der Antarktis vorführen lassen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

Die Ignoranz der Umwelt

Ilija Trojanow, Weltenbummler und mehrfach ausgezeichneter Autor, nimmt in seinem neuesten Roman den Leser mit auf eine Kreuzfahrt durch das ewige Eis, die Hintermeiers letzte sein wird. Mit vielen Rückblenden erzählt er aus dem Leben seines Protagonisten und formt so allmählich das Bild eines kompromisslosen Naturliebhabers, der an der Ignoranz seiner Umwelt leidet und es schließlich satt hat, ein Mensch zu sein.

Daran können weder die – durchaus verständnisvollen – Kollegen auf dem Kreuzfahrtschiff  MS „Hansen“ etwas ändern noch seine Affäre mit der philippinischen Kellnerin Paulina Rizal. Und als dann ein populärer Künstler die Kreuzfahrt-Passagiere zu einem gigantischen SOS-Zeichen auf dem Eis arrangieren will, ist es mit Hintermeiers Langmut endgültig vorbei.

Soll das ein Weckruf sein?

Was er tut, sei nicht verraten, nur so viel: es ist eine Verzweiflungstat und wohl kaum dazu angetan, Kreuzfahrt-Passagiere oder Leser zum Umdenken oder gar anders Handeln zu bewegen. Zeno Hintermeier, der sich stets unverstanden gefühlt hat, wird es, so muss man fürchten, auch bleiben. Und so ist nicht ganz klar, was Trojanow mit diesem Buch ausdrücken will: soll es ein Weckruf sein? Oder ein Lehrstück über einen, der bereit ist, für seine Überzeugung bis zum Äußersten zu gehen? Die resignative Wirkung, die die Geschichte entfaltet, dürfte vom Autor wohl nicht beabsichtigt gewesen sein.

Erzählt wird das Ganze mitunter in einer recht manirierten Sprache (so fürchtet der Protagonist etwa einen „Fragerutenlauf“ und es „alpträumt ihn durch die Nacht“), die umso aufgesetzter wirkt, als der nüchterne Hintermeier als Ich-Erzähler firmiert. Auch die typografisch abgesetzten, offenbar als „Zwischenrufe“ gemeinten Kapitel (sind es Stimmen im Äther? Ist es die wirre Kakophonie der Konsumgesellschaft?) wirken eher störend als erhellend. Doch trotz dieser Beschwerden gibt dieser kleine Roman immer wieder faszinierende Einblicke – sei es in die bedrohte Natur der Polarlandschaft, sei es in das Seelenleben seines Helden. Deshalb: eingeschränkt empfehlenswert.

Ilija Trojanow: Eistau, Carl Hanser-Verlag, München 2011, 176 Seiten, 18,90 Euro

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Alle resignativen Elemente sind in Ihrer Rezension vorhanden: 1. Ihre überdimensionale Überschrift, 2. Die Untertitel Ihrer Rezension, 3. Ihr eigenes Empfinden, Ihre eigene Beurteilung. Über die Erkenntnis, wie "ungenau und willkürlich eigene Beurteilungen sind", spricht Trojanow auch in seinem Interview über das "Reisen, um zu schreiben, oder Schrieben, um zu Reisen". Lohnt sich hereinzuschauen.

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