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Schlaganfallpatienten sollen mit Hilfe von Musik wieder lernen, ihre Armbewegungen zu kontrollieren
Gabriele MeisterLisa Strieder
18.09.2013

chrismon: Sie wollen Schlaganfallpatienten mit Musik helfen. Wie funktioniert das?

Daniel Scholz:
Wir machen eine Studie mit Patienten, die ihren Arm zwar noch ein bisschen bewegen können, aber nicht mehr fühlen, wo er im Raum positioniert ist. Sie haben also ihren Lagesinn verloren und können den Arm nur noch per Blick kontrollieren. Wir wollen nun herausfinden, ob sich ihr Lagesinn ein Stück weit durch eine Klangvorstellung ersetzen lässt.

Wie könnte das gelingen?

Wir schließen die Patienten an einen Soni­fikator an – einen Computer, der mit Hilfe von Sensoren Armbewegungen verklanglicht. Wenn ich meinen Arm nach unten rechts bewege, erklingt ein tiefer, dumpfer Ton. Wenn ich einen höheren Ton höre, merke ich, dass  auch mein Arm oben ist. Im Gehirn des Patienten sollen sich die Bereiche für Motorik und für Hören durch das Training vernetzen – das Gehirn lernt eine Art dreidimensionale Karte, mit der es den Arm verorten kann.

Wie üben Sie mit den Patienten?
Wir fangen mit den unteren Tönen einer C-Dur-Tonleiter an, alle der Reihe nach, hoch und wieder runter. Später üben wir Tonsprünge und kleine Melodien, zum Beispiel „Alle meine Entchen“ und „Freude schöner Götterfunken“. Für viele ist das ein richtiges Erfolgserlebnis. Das ist gerade für Schlag­anfallpatienten sehr wichtig.

###mehr-extern###Warum?

Mit wirklichen Härtefällen haben wir in unserer Studie nicht zu tun, aber allgemein erleben viele Patienten depressive Phasen: Wenn man ein einfaches Klötzchen nicht mehr anheben und auf eine Platte legen kann, ist das sehr frustrierend. Die Übungen sollen zeigen, was trotzdem noch geht. Wenn der Patient heute schon einen Ton höher kommt als gestern, hört er seinen Fortschritt.

Und wenn ich total unmusikalisch bin?

Wir hoffen, dass das trotzdem gut funktioniert. Jeder noch so unmusikalische Mensch hört zumindest, wenn sich die Lautstärke eines Tons ändert. Außerdem haben die ­Patienten neben sich ein Holzgestell, auf dem die einzelnen Tonschritte aufgemalt sind.

Wie hilft das im Alltag? Mit Computer und Kabeln kann man ja schlecht rumlaufen.

Wir wollen einen Sonifikator im Handyformat entwickeln, mit dem man zu Hause weiter­üben kann. Wiederholung ist ganz wichtig. Für später erhoffen wir uns das, was wir bei einer früheren Studie gesehen haben: Wir haben mit Gesunden Klavierspielen geübt. Später haben wir ihnen nur Noten gezeigt. Obwohl kein Ton zu hören war, war der fürs Hören zuständige Bereich aktiv. Im Unter­bewusstsein fand eine Assoziation statt.

Könnte man die Methode auch in anderen Bereichen anwenden?

Im Sport wird sie schon einige Jahre eingesetzt, zum Beispiel, um Ruderbewegungen besser zu synchronisieren. Es gibt auch Ideen, mit Parkinsonpatienten zu üben.

Was ist mit Menschen, die ihren Arm noch nie bewegen konnten?

Wenn ein Therapeut den Arm bewegen und es schaffen würde, dem Patienten besagte Karte im Kopf beizubringen, könnte man vielleicht Fortschritte erzielen. Unsere Methode zielt ja auf Lernen, nicht auf Erinnerung ab. Aber in diese Richtung forschen wir nicht.

Was wollen Sie in zehn Jahren herausgefunden haben?

Ich hoffe, dass wir in anderthalb Jahren eine substanzielle Zahl von Patienten trainiert haben und sehen, was das gebracht hat. Und für später: Ich möchte besser verstehen, wie sich Neuronen durch Übung vernetzen und wie man Vernetzung befördern kann. Es wird viel geforscht, trotzdem wissen wir über das Gehirn immer noch verhältnismäßig wenig.

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