Online und Telefon-Beratung bei Angststörungen
Fürchte dich ruhig
Angst ist nicht immer ein ­schlechter Berater, heißt es bei der Deutschen Angst-Hilfe.
Paula Kuitunen in einem Fahrstuhl
Paula Kuitunen war selbst Angstpatientin. Jetzt berät sie Betroffene
Sören Kuitunen-Paul
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
26.01.2022

Noch drei Prüfungen. Dann die Abschlussarbeit und Paula Kuitunen hätte endlich ihr Psychologie-Diplom in der Tasche. Die junge Finnin hat sich jahrelang durchs Studium an der TU Dresden gebissen, mit drei Kindern und mehreren Minijobs. Und dieser verdammten Angst.

Referate sind okay, Klausuren auch. Aber vor mündlichen Prüfungen schläft sie wochenlang schlecht, hat Durchfall und Herzrasen, muss erbrechen. Therapien schlagen nicht an, es wird von Semester zu Semester schlimmer. Ein Psychologe diagnostiziert eine spezifische Angststörung; sie hofft deswegen, alle Abschlussprüfungen schriftlich abhalten zu dürfen. Es gibt dafür Sondergenehmigungen. Paula Kuitunen bekommt keine. Sie kann nur noch an die Prüfungen denken, nimmt zehn Kilo ab – und bricht schließlich das Studium ab.

Corona schürt neue Ängste

Angststörungen sind noch vor Depressionen die häufigsten psychischen Erkrankungen, etwa zwölf ­Millionen Deutsche leiden daran. "Vielen fällt es schwer, darüber zu reden", sagt Christian Zottl, Sozialpädagoge und Geschäftsführer der Deutschen Angst-Hilfe. In der ­Münchner Geschäfts­stelle melden sich Menschen aus ganz Deutschland mit verschiedenen Ängsten, etwa sozialen Phobien oder Versagensangst. Immer öfter geht es um Corona: Angst vor der Impfung, vor der Ansteckung, vor Job­verlust, vor gesellschaftlicher Spaltung. Zottl und sein Team bleiben "politisch neutral". Sie ver­mitteln den Kontakt zu Selbsthilfegruppen in der ­Nähe, zu Hilfsstellen oder medizinischen Diensten. Zudem ­helfen Freiwillige, die selbst Angststörungen kennen, per Mailwechsel. Peer-Counseling nennt man das, wenn Betroffene Betroffene beraten.

Telefonberatung geplant

Paula Kuitunen ist eine dieser Ehrenamtlichen. Ihr geht es wieder gut. Nach dem Studienabbruch machte sie eine Yoga-Ausbildung, schrieb das Kinderfachbuch Mein Tabulu über Ängste und gründete eine Initiative, um psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. Christian Zottl hatte sie unterstützt, als sie noch mit den Prüfungen kämpfte. Jetzt planen sie zusammen das nächste Projekt der Angst-Hilfe, eine Telefon­beratung. "Nicht alle haben Zugang zum Internet und können sich schriftlich gut ausdrücken."

Auch eine Chance

"Angst ist eine Chance", sagt Christian Zottl, der auch Bergführer ist: "Wenn man vor einer Schlucht steht, über die nur ein Seil führt, ist Angst eine wichtige Reaktion. Sie zwingt mich, genau hinzusehen, das Risiko abzuschätzen und zu überlegen, wie ich heil rüberkomme." Auch im Alltag sei es das Wichtigste, die Angst anzuerkennen und zu fragen, was sie einem sagen will. Paula Kuitunens Angst hat ihr die berufliche Laufbahn verbaut. War das auch eine Chance? "Ja. Ich setze mich heute für das ein, was mir wirklich wichtig ist. Wer weiß, ob ich als Psychologin dazu gekommen wäre."

Spendeninfo

Deutsche Angst-Hilfe e.V.
Geschäftsstelle
Bayerstr. 77a, Rückgebäude
80335 München
Mail: dash@angstselbsthilfe.de
Tel.: 089 - 21 52 97 72 (Dienstag 17-18 Uhr und Mittwoch 09-10 Uhr)

Telefon nur für allgemeine Auskünfte - kein Krisentelefon! In dringenden Fällen oder bei Krisen wenden Sie sich bitte an einen Krisendienst in Ihrer Nähe oder an die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800/1110111)

www.angstselbsthilfe.de/

Spendenkonto
Deutsche Angst-Hilfe e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE22 7002 0500 0008 8921 05
BIC: BFSWDE33MUE

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