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Landtagswahl 2019 in Thüringen [1]

Denn sie wissen, was sie tun
Wer AfD wählt, mag Gründe dafür haben - muss sich aber im Klaren sein, dass in der Partei Rassisten den Ton angeben.
Nils Husmann [2]

Bald ist Landtagswahl in Thüringen, am 27. Oktober. Schon jetzt umfasst die Analyse, warum die AfD im Osten stark ist, wohl fast so viele Punkte, wie die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg Prozente geholt hat: Ihre Wähler sind mehrheitlich männlich und eher in ihrer ersten Lebenshälfte. Ihre Zustimmung speist sich aus einer Verbitterung darüber, dass Lebensleistungen der Menschen im Osten nicht anerkannt werden. Brüche im Lebensläufen machen manche wütend, fehlende Zugverbindungen und lahmes Internet auch. Wer in einer Region lebt, die von Abwanderung geprägt ist, fühlt sich benachteiligt.

Nils Husmann

Nils Husmann studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er über ein Praktikum zu chrismon. Seit dem Umzug der Redaktion nach Frankfurt/Main ist er chrismon-Redakteur. Nils Husmann interessiert sich für die Themen Umwelt, Gesellschaft, Sport und - Menschen. Nils Husmann ist Herausgeber des Buches "You'll never walk alone" in der edition chrismon.
[2]Lena Uphoffchrismon Redakteur Nils Husmann, September 2017

Die Löhne zwischen Ost und West sind auch 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution immer noch nicht angeglichen. Große Unternehmen profitieren von Fleiß und Kenntnis ihrer ostdeutschen Mitarbeiter, die Gewinne aber versteuern sie in den Konzernzentralen zwischen Hamburg und München, was den Kommunen dort zugute kommt. Ostdeutsche sind häufig ungeübt im Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, weswegen viele von ihnen Zuwanderung ablehnen - und so weiter.

Es geht um den Erhalt der Demokratie

All das ist jede Mühe wert, dass wir uns weiter damit beschäftigen, um dem Rechtsruck etwas entgegensetzen zu können. Der Begriff "Rechtspopulisten" beschreibt die AfD bestenfalls verharmlosend; bürgerlich, wie es sich der Bundessprecher Alexander Gauland so sehr wünscht, ist die Partei schon gar nicht.

Beispiele gefällig? Wer im Auftreten von Björn Höcke, Landessprecher der AfD in Thüringen, keine gewollten Parallelen zum Gebaren von Nazis [3] erkennen kann, sollte über Nachhilfestunden im Fach Geschichte nachdenken. Das Wahlprogramm der Thüringer AfD [4] verunglimpft die parlamentarische Demokratie, die DDR-Oppositionelle vor 30 Jahren unter großen Gefahren erkämpft haben, als "Zuschauerdemokratie mit Zügen eines Gesinnungsregimes". Von Volkssouveränität ist im Programm die Rede, aber gleich in der Zeile darauf macht die Partei deutlich, wer nicht gemeint ist: Ausländer.

Vielsagende Passage zum Waffenbesitz

Vielsagend auch die Passage zum Waffenbesitz: "Die behördliche Gängelung von Waffensammlern und Sicherheitsfirmen lehnen wir ab. Dem Ansinnen, Antragsteller einer waffenrechtlichen Erlaubnis bereits bei der Beantragung und verdachtsunabhängig durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen, erteilen wir eine Absage." Die Thüringer AfD will also verhindern, dass der Verfassungsschutz zurate gezogen wird, wenn jemand einen Waffenschein beantragt. Zur Erinnerung: Thüringen ist das Bundesland, in dem die rechtsextreme Terrorgruppe NSU entstand. Und ausgerechnet der Thüringer Landesverband wirbt nun damit, den Verfassungschutz bei Anträgen auf Waffenscheine außen vor zu lassen. Das ist ungeheuerlich, erst recht nach dem Attentat eines Rechtsextremisten auf eine Synagoge in Halle an der Saale [5] im benachbarten Bundesland Sachsen-Anhalt.

Ein weiteres Beispiel, wer in der AfD den Ton vorgibt: Beim Kyffhäusertreffen des "Flügels", einer parteiinternen Gruppe um Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender in Brandenburg, und Björn Höcke, die längst auf Bundesebene nach der Macht in der AfD greifen, sagte Kalbitz 2018: "All die Glücksritter, Sozialsystemimperialisten, wollen wir gar nicht integrieren. Wir wollen die remigrieren. Masseneinwanderung ist Messereinwanderung." Damit stellt er alle Migranten unter den Generalverdacht, jederzeit schwerste Gewalttaten begehen zu können. So schürt er Angst und Hass.

Remigrieren - ein Wort, das an finsterste Zeiten erinnert

Kalbitz sagt ganz konkret  "remigrieren". Was, bitte, soll das sein? Im Wortsinne kann man darunter nur verstehen, dass Menschen außer Landes geschafft werden sollen. Soll das freiwillig geschehen? Wer soll alles Deutschland verlassen? Würde Herr Kalbitz auch Gewalt einsetzen, um sein Ziel zu erreichen, wenn jemand nicht "remigrieren" will? Der Begriff weckt Erinnerungen an finsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Dass ein Landesverband, der diesem Mann folgt, in Brandenburg 23,5 Prozent erreicht hat, ist beängstigend.

Aus vielen Klagen von Menschen in Ostdeutschland klingt heraus, man fühle sich als Bürger zweiter Klasse. Das ist, ohne Frage, kein gutes Gefühl  - aber, nebenei bemerkt, auch eines, das die AfD mit ihrer Opferrhetorik verstärkt.

Wer mündig sein will, muss sich informieren

Bürger zu sein, ist auch mit Arbeit verbunden. Bürger wollen und sollen mündig sein, aber Mündigkeit setzt voraus, dass man sich informiert. Das ist im Falle der AfD, der in den Medien sehr viel Aufmerksamkeit zuteil wird, nicht so schwierig. Jeder kann sehen, dass diese Partei rassistische und menschenfeindliche Positionen vertritt und ein komplett anderes Land will.

Wer AfD wählt, hat Gründe dafür. Aber wer diese AfD wählt, muss mittlerweile auch wissen, was er tut. Gerade in diesen Zeiten. Der Hass grassiert wieder in Deutschland - auch im Thüringer Wahlkampf, in dem Spitzenkandidaten unverhohlen von rechts bedroht werden wie jüngst der CDU-Politiker Mike Mohring [6]. Hass aber bringt niemanden voran, er schadet nur und verhindert den politischen Wettkampf um die besten Ideen. Hass kann man wählen - aber auch abwählen.

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[1] https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2019/46708/die-landtagswahlen-im-osten
[2] https://chrismon.evangelisch.de/personen/nils-husmann-5955
[3] https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-hoeckes-reden--goebbels-sound-100.html
[4] https://cdn.afd.tools/sites/178/2019/09/07203303/Wahlprogramm_AfD-Thu%CC%88ringen_2019_Online-Fassung-final_gesichert.pdf
[5] https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2019/46578/burkhard-weitz-ueber-das-attentat-von-halle-bewacht-die-juedischen-gemeinden
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mike-mohring-cdu-politiker-aus-thueringen-bekommt-erneut-morddrohungen-a-1292450.html