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Aggressionen im Flüchtlingskonflikt [1]

Nicht in meinem Namen!
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Foto: Bettina Flitner

Das soziale Klima wird rauer. Da können wir doch nicht einfach zuschauen

Lange Jahre hieß es: In unserer Zeit gibt es keine großen Auseinandersetzungen mehr. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, da wurde noch heftig gestritten – um die Nato-Nachrüstung oder um die Kernkraft. Nach 1989 schien der Ost-West-Konflikt beigelegt und nach den katastrophalen Unfällen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima wurde der Aus­stieg aus der Kernenergie beschlossen. Selbst Abtreibungsrecht und Homosexualität sind offenbar keinen heftigen Streit mehr wert.

2015 hat sich diese Lage verändert. Es scheint fast, als spalte sich unser Land. Da fahre ich mit dem Regionalexpress durch Mecklenburg-Vorpommern. Mir gegenüber sitzt eine freundliche Frau, die sich als Pfarrerstochter zu erkennen gibt. Und sie sagt: „Diese Regierung hört nicht mehr auf das Volk. Das habe ich schon in der DDR erlebt, dass dann das Volk so eine ­Regierung stürzt.“

Ich bin verblüfft, halte dagegen, dass  die Fragen der sogenannten besorgten Bürger nun doch wirklich allüberall öffent­lich sind. Nein, meint sie, in unserem Land müsse man ja inzwischen Angst ­haben, auf die Straße zu gehen, wir würden überschwemmt mit muslimischen Flücht­lingen. Ich erwidere, dass wir doch gerade als Christen die Pflicht haben, Menschen in Not, Fremden, Flüchtlingen gar, beizustehen. Daraufhin meint sie, damit kämen ja schlicht auch Terroristen ins Land.

Und wir geraten nahezu in Streit, als ich sage, in der Kleinstadt, in der ich auf­gewachsen sei, sei es schon in den 70er Jahren Normalität gewesen, mit Italienern, Jugoslawen, Griechen und auch Türken zusammenzuleben, das sei sie in Mecklen­burg vielleicht schlicht nicht gewohnt.

Pegida jedenfalls verteidigt nicht das christliche Abendland

Das nun betrachtet meine Gesprächs­partnerin als Diskriminierung ihrer DDR-­Erfahrung. Das war nur ein ganz kleines Erlebnis am Rande. Aber es ist symptomatisch, ­­­so fürchte ich, für einen Riss, der durch unsere Gesellschaft geht. Da sind diejenigen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sie mit Sprachunterricht und Begleitung auf Ämter unterstützen, ihnen mit Empathie begegnen. Und da sind diejenigen, die erklären: Das sind zu viele, ja, dann müssen wir eben neue Zäune ziehen, so geht das nicht. Und dieser Konflikt wird stetig schärfer.

Auch das nur ein kleines Beispiel: ­Ende November wurden Pflastersteine und Behälter mit Buttersäure durch die Fenster der Privatwohnung von Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow in Leipzig ­geworfen – innen neben dem Fenster stand ein Kinderbett. Der Minister sagte danach: „Leider muss ich davon ausgehen, dass das Klima noch rauer werden wird.“ Es sei „erschreckend, mit welcher Geschwindigkeit sich diese Hassspirale dreht“.

Da können wir doch nicht einfach zuschauen! Aber ich frage mich: Wie überwinden wir diese Eskalation gegenseitigen Nichtverstehens, die über Aggression bis hin zu brutaler Gewalt reicht? Wie können wir Menschen, die sich benachteiligt fühlen oder meinen, nicht gehört zu werden, die Angst nehmen?

Es braucht ja wohl beides: eine klare Haltung einerseits, die für Flüchtlinge, Menschenrechte und das Asylrecht ein­tritt; und andererseits ein stetes Gesprächsangebot, damit nicht ein Nähr­boden entsteht, auf dem der rechte politische Rand sein fremdenfeindliches Programm züchtet.

Die Pegida-Bewegung jedenfalls ver­teidigt nicht das christliche Abendland, wie sie mit ihrem Namen behauptet. Das tun diejenigen, die umsetzen, was das ­Gebot der Nächstenliebe mit sich bringt: eine Kultur der Barmherzigkeit. 

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