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Religion für Einsteiger: Wofür sind Engel da? [1]

Engel in der Bibel
Sie hängen über Babybetten und an Christbäumen. Fragt sich nur, welche Rolle Gott spielt – und welche die geflügelten Himmelswesen
Dezember 2013

Michael Ondruch

Gabriele Meister [2]

Als Joyce Benedict in eine stockdunkle, menschenleere Landstraße einbiegt, fallen die Lichter ihres Autos aus. Ihr Herz rast, gerade noch kann sie den Wagen zum Stehen bringen. Benommen vor Schreck bleibt sie im Auto sitzen, als plötzlich jemand an ihre Scheibe klopft. „Ich kann ihr Licht reparieren“, sagt ein junger Mann. „Sie müssen nur die Motorhaube aufmachen.“ Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, tut Joyce, was der Mann sagt, kaum später brennt das Licht wieder. Der Mann ist verschwunden.

Diese Situation soll sich im US-Staat New York ereignet haben, so erzählt es Doreen Virtue [3]in ihrem Buch „Wie Schutzengel helfen“. „Joyce war in einer ge­fähr­lichen Situation“, schreibt Virtue. „Sie brauchte eine göttliche Intervention. Deshalb nahm ein Engel menschliche Gestalt an.“


Man kann diese Geschichte als Wunder verstehen, als Märchen oder als „amerikanischen Quatsch“. Aber auch hierzulande erzählen Menschen von Engelsbegegnungen, allein Doreen Virtues Bücher und Kartensets haben sich auf dem deutschsprachigen Markt 1,5 Millionen Mal verkauft. Den ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber bewog das einmal zu der Klage: „Es glauben mehr Menschen an Engel als an Gott.“ Sind Engel also nur etwas für Esoteriker? Stehen sie in Konkurrenz zum Christentum?

[4]
Gott direkt ansprechen - das macht vielen Angst. Und daher sprechen wir gerne mit Engeln, sagt Henning Kiene vom Kirchenamt der EKD zur Dezemberfrage Religion für Einsteiger auf chrismon.de

In der Bibel kommen Engel an ziemlich vielen Stellen vor. Als mächtige Gestalten besuchen sie Menschen. Die erschrecken oft so sehr, dass Engel ihre Botschaft regelmäßig mit „Fürchte dich nicht!“ beginnen – so wie der Erzengel Gabriel, der Maria Jesu Geburt ankündigt [5]. Andere Engel loben Gott, zum Beispiel die „Menge der himmlischen Heerscharen [6]“, die den Hirten auf dem Feld erscheint. Wieder andere retten Leben: Ein Engel befiehlt Josef, mit Maria und Jesus nach Ägypten zu fliehen. König Herodes wolle Jesus umbringen. Gesagt, getan – eine Rettung in letzter Minute.

Engel haben in der Bibel also viele verschiedene Funktionen. Trotzdem heißen sie im Originaltext oft nur „Bote“, auch ihr Aussehen scheint unwichtig. Über den ­Engel bei den Hirten schreibt Lukas nur: „Der Engel des Herrn trat zu ihnen.“ [6]Dass Engel gewaltig erscheinen, lässt sich oft nur aus dem Schreck der Betrachter schließen.

Ob nun Engel, die retten, Botschaften überbringen oder Gott loben: Sie treten in der Bibel immer dann auf, wenn sich ein einschneidendes Ereignis abzeichnet, zum Beispiel Jesu Geburt. Und: Sie verweisen mit ihrem Auftritt immer auf Gott. Er ist es, der die Engel schickt. Sie sind nie selbst Objekt der Anbetung. Deutlich machen das Engelsnamen wie „Gabriel – Kraft Gottes“ und „Raphael – Gott hat geheilt“.

Bleibt die Frage, warum so viele Menschen Engel über Babybettchen und an Auto-Rückspiegel hängen. Glauben sie, dass Gott seine Boten schickt? Oder dass man Engel selbst anbeten und um Hilfe bitten kann? Ehrliche Antworten wird man darauf kaum bekommen, denn so gut sich Engelbücher verkaufen, so intim und schambesetzt ist für viele das, was sie insgeheim wirklich glauben.

Solche gesellschaftlichen Entwick­lun­gen, die nicht klar beleg-, aber doch wahrnehmbar sind, schüren die Angst man­cher Theologen vor Strömungen, die das Chris­tentum aushöhlen könnten. Schon die Reformatoren unterstrichen: Beten dürfe man allein zu Christus. Gott zu bitten, seine Engel zu schicken, hielten sie aber für erlaubt. Denn diese Engel standen ganz klar im Dienste Gottes.

Aufklärer versuchten die Engel endgültig aus den Köpfen zu verbannen, indem sie alles Übernatürliche infrage stellten. Es gelang ihnen nicht – wahrscheinlich, weil sich in Engeln bis heute die urmenschliche Sehnsucht entfaltet, im Alltag konkrete Hilfe zu erfahren.

Die große Beliebtheit der Engel – eine Bedrohung für das Christentum? Nein! Denn Engel verweisen immer auch darauf, wie der ferne, in seinem Handeln oft so schwer zu begreifende Gott Menschen nahekommt, so nahe wie der Mann, der Joyces Licht reparierte und über den sie sagt: „Das war ein Engel!“


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[2] https://chrismon.evangelisch.de/personen/gabriele-meister-18501
[3] http://www.ullsteinbuchverlage.de/allegria/autor.php?id=7121&page=buchaz&sort=&auswahl=&pagenum=1
[4] http://static5.evangelisch.de/get/?daid=9m299YOUJaBRcBNGRRJ1Bqko00049671&dfid=a-mp3
[5] http://www.die-bibel.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/52///ch/42a7d326c8bd0be92076b08f1cbae529/
[6] http://www.die-bibel.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/52/20001/29999/ch/d27e7647c57da0426cb4f0728d9d4dca/