Andererseits - Aufgekratzte Wunden
Können Frauen sich helfen, die Verletzungen vom selben Mann erlitten?
Kati Szilagyi
Rosenkrieg
Aufgekratzte Wunden
Caro S. ist seit Jahren geschieden, pflegt aber ein gutes Verhältnis zu ihrem Ex-Mann. Dann wird sie von einer Frau kontaktiert, die erst kürzlich mit ihrem Ex-Mann liiert war und sich austauschen möchte. Was tun? Pfarrerin Stefanie Schardien hat die Antwort
Stefanie SchardienARD/BR/Markus Konvalin
15.03.2023
2Min

Caro S. aus Berlin fragt:

Ich bin seit fünf Jahren geschieden und habe nach einem ziemlich heftigen Rosenkrieg einen friedlichen Umgang mit dem Vater meiner Kinder gefunden. Das war nicht einfach. Jetzt hat mich ­eine Frau kontaktiert, die offenbar meine Nachfolgerin war. Sie will sich mit mir treffen, um ihre Trennung besser zu verarbeiten. Einerseits bin ich neugierig, was sie zu erzählen hat – ­andererseits bin ich zum Wohl unserer noch kleinen Kinder gerade froh, dass Ruhe herrscht. Wie soll ich reagieren?

Stefanie Schardien antwortet:

Erinnern Sie sich auch an diese Lust, die man als Kind hatte, an dem Schorf zu kratzen, der ge­rade über Wunden an Knien und Ellbogen gewachsen war? Daran musste ich denken, als ich Ihre Frage gehört habe: Es juckt sie, mit der Leidensgenossin an den Verletzungen durch diesen Mann zu kratzen.

Es klingt allerdings nicht so, als wollten Sie dadurch wirklich das Hilfsbedürfnis der Nachfolgerin stillen, sondern mehr Ihre Neugier, ob ihre Wunden ähnlich sind. Noch eine ­Sache war mir immer sehr ­wichtig als Kind: Niemals durfte man die Wunden anderer aufkratzen . . .

Mein Eindruck: Genau das würde hier aber passieren. Über Ihre ­eigenen Verletzungen hinaus ­tragen Sie Verantwortung für – gewiss nur in zweiter Linie, aber immerhin – den Mann, der einmal Ihr Ehemann war und der Vater Ihrer Kinder bleibt, und vor allem für Ihre Kinder.

Auf den über Jahre errungenen Frieden nach der Trennung sollten Sie stolz sein und ihn nicht unnötig aufs Spiel setzen. Erklären Sie Ihrer Nachfolgerin kurz und freundlich, dass andere Menschen ihr sicher ­unvoreingenommener zuhören und damit besser helfen können.

Und für Sie und Ihre Familie gilt wohl das, was früher die Eltern gesagt haben: Nicht kratzen! Sonst fängt es wieder an zu ­bluten und heilt nicht.

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