Thomas Werk | VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Ins Offene zeichnen
Wie malt man den Glauben? Das ist eine uralte, unendliche Frage, auf die ungezählte Antworten gewagt wurden. Leicht waren sie nie – nicht in der Antike, nicht im Mittelalter, nicht in der frühen Neuzeit.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
02.12.2022

Vielleicht gerade deshalb hat die christliche Kunstgeschichte wunderbarste Werke hervorgebracht. Mit der Moderne – was immer das auch ist – scheint die Frage aber einen neuartigen Schwierigkeitsgrad erreicht zu haben.

Geht das überhaupt – den Glauben malen? Wie kann man heute noch heilige Gestalten und Geschichten in Bilder bannen, wenn das gegenständliche Bild selbst zum Problem geworden ist? Viele Künstlerinnen und Künstler sind deshalb den Weg ins Ungegenständliche gegangen, haben Licht und Farbe alles sagen lassen. Oft mit ebenso irritierenden wie inspirierenden Ergebnissen. Einige wenige sind ins Gegenständliche zurückgegangen. Nicht immer mit Erfolg.

Nun ist mir ein kleines, feines Buch auf den Schreibtisch geflogen gekommen, das auf eine feinsinnige und warmherzige Weise die vermeintlichen Gegensätze überwindet. Der Berliner Künstler Thomas Werk hat 24 Gemälde und Zeichnungen angefertigt, die mal nur eine Geste zeigen, eine abstrakte Form, einen Schwung, Tupfer, mal aber auch eine ferne Erinnerung an feste Gestalten wachrufen. Ihr Zauber liegt in ihrer Skizzenhaftigkeit. Sie sind nicht fertig, sie legen nicht fest. Aber sie bleiben auch nicht im Ungefähren, willkürlich Offenen. Denn sie geben einen Anstoß und wollen von denen, die sie betrachten, im Geist weitergemalt, in der Seele zu Ende gezeichnet werden.

Begleitet werden diese Malereien, die ins Transzendente und ins Innerliche zielen, von kurzen Satzfragmenten, in denen sich eine eigentümliche christliche Spiritualität ausspricht. Mich spricht die Wärme in diesen Worten an. Deshalb mag ich ganz besonders das dunkelste dieser Bildersammlung. Ich sehe darin die Erinnerung an kalte, harte, dunkle, hungrige, kriegsversehrte Winterwirklichkeiten. Und die Mahnung, die Verpflichtung, aber auch die Hoffnung: „Für jeden eine warme Suppe.“

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Das Gute im Menschen kann man weder malen noch schreiben. Allenfalls als Versuch das Ergebnis. Wer seinen Glauben oder den der Anderen malt oder schreibt, produziert eine imaginäre Wahrheit, die von denen für real gehalten wird, die sich vom Anspruch fangen lassen. Glauben nur über Sprache und Schrift zu vermitteln, wird zudem bereits nach dem 2. Ohr oder Dialekt zur Beliebigkeit. Gleichwohl ist der Versuch gut, denn wie anders kann man Glauben sinnbildlich auf Dauer Generationen vermitteln? Wobei der Begriff "Sinn-Bild*lich" das ermöglicht, was nicht in Worte zu fassen ist. Lesen war lange nicht möglich. Es war die klösterliche und kirchliche Macht der Bildung, die zusätzlich durch Latein elitär wurde. Was aber bildlich abstrakt versucht wird, entzieht sich zusätzlich nahezu jeder Gemeinsamkeit und damit der sozialen Bestätigung. Jeder wird das was er sieht und das, was als Ergebnis von seiner Phantasie bestimmt wird, anders sehen "müssen". Weiter gedacht, wird dann Religion zur Performance, zu einer ganz persönlichen imaginären Vorstellung. Jedem seine eigene Religion ist zwar freiheitlich ideal und der Gipfel der Selbstbestimmung bzw. Selbstverwirklichung, aber der Weg führt in ein Schwarzes Loch der Verzweiflung und bei verzweifelt "Suchenden" in die Depression. Das kann nicht der Sinn der Religion, eines Bildes (schwarzer Punkt auf weissem Grund?) oder einer unerfüllten Vorstellung von Leben und Sinn sein. Es bleibt ein Gefühl der gestammelten Hilflosigkeit

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