Anja Lehmann
Hinein in die Kirche oder nicht?
Pfarrerin Susanne Weichenhan von der Potdamer St. Nikolaikirche hat ein paar Tipps

Portrait Eduard KoppLena Uphoff
01.10.2013

chrismon: Schön, dass man heutzutage unkompliziert in die evangelische Kirche eintreten kann, zum Beispiel in der Eintrittsstelle in der St. Nikolaikirche in Potsdam. Aber gibt es da ein wirkliches, ein messbares Bedürfnis?

Susanne Weichenhan: Die Anzahl der Menschen, die bei uns in der offiziellen Eintrittsstelle in die Kirche eintreten, liegt etwa bei zehn pro Jahr. Das scheint nicht viel, aber jeder einzelne ist uns willkommen und sie sind aller Mühe wert, eine solche Eintrittsstelle zu unterhalten. Es ist ja so, dass man nicht nur in dieser Stelle in die Kirche eintreten kann, sondern auch über die Kirchengemeinden selbst. So bekommen auch wir über den Gemeindekirchenrat Anträge.

Warum kommen Menschen in Ihre Eintrittsstelle und nicht alle zu ihrer örtlichen Pfarrerin, ihrem örtlichen Pfarrer?

Weichenhan: Das hat unterschiedliche Gründe. Die Eintrittsstelle ist ein niedrigschwelliges Angebot. Hier kann man, ohne direkten Kontakt zur Ortsgemeinde aufzunehmen, sein Verhältnis zur Kirche klären. Wir haben erfahrene Ruhestandspfarrer, die viel seelsorgerliche Erfahrung mitbringen und sich viel Zeit nehmen, mit den Interessenten zu sprechen. Wir machen gute Erfahrungen damit. Es ist auch so, dass beide Eintrittswege unterschiedliche Menschen ansprechen.

Wer meldet sich in der Wiedereintrittsstelle in Potsdam?

Weichenhan: Es können Menschen sein, die Pate werden möchten oder kirchlich heiraten wollen. Es kann sein, dass sie von ihrem kirchlichen Arbeitgeber zum Eintritt ermutigt werden oder sich bei der Kirche bewerben wollen. Gar nicht so selten ist, dass Menschen aus inneren Gründen einen Wiedereintritt erwägen. Ich erinnere mich an ein langes Gespräch mit einem Mann, der durch den Tod der Eltern ins Nachdenken gekommen war und sich daran erinnerte, was die Eltern ihm für seinen eigenen Glauben auf den Lebensweg mitgegeben hatten. Damit hatte er sich Jahrzehnte lang auseinandergesetzt. Irgendwann war der Punkt für seinen Wiedereintritt erreicht. Viele Menschen suchen einen inneren Heimathafen.

Ist bei ihnen die Entscheidung für den Eintritt meist schon gefallen ist oder leisten Sie oft Überzeugungsarbeit?

Weichenhan: Es sind ergebnisoffene Gespräche. Die Menschen kommen aber durchaus mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Es gibt solche, die wollen den Eintritt so schnell wie möglich erledigt haben – und auch so unauffällig wie möglich. Manche kommen suchend zu einem einzigen Gespräch. Mit anderen verabreden wir weitere Treffen - sie wollen ihre Fragen im Herzen bewegen – und den Eintritt erst dann vollziehen, wenn sie ihn bedingungslos bejahen können.

Innenansicht der St.-Nikolaikirche

Haben die Menschen, die zur Eintrittsstelle in der Nikolaikirche kommen, auch Ängste oder Befürchtungen? Es gibt ja auch traumatisierte Verhältnisse zur Kirche. Und es gibt die Angst, man würde bei Ihnen examiniert.

Weichenhan: Diese Ängste können wir den Menschen leicht nehmen. Wenn jemand zum Beispiel zu mir kommt und berichtet, dass er früher einmal aus der Kirche ausgetreten ist, frage ich ihn als erstes: „Sagen Sie,, haben Sie irgendwann mal schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht?“ Mitunter bricht dann ein Damm und es kommen frustrierende Erfahrungen zu Wort. Wir tasten uns dann im Gespräch an diese negativen Erlebnisse heran. Und irgendwann kommt das Gespräch darauf, dass es auch positive Dinge gibt, die weiter und tiefer gehen als die negativen Erfahrungen. Dass man Negatives erlebt  hat, heißt ja nicht, dass die Sache in sich schlecht ist. Oft stellt sich in solchen Gesprächen wieder Vertrauen ein. Auch wenn mir jemand sagt, er sei einmal aus rein finanziellen Gründen ausgetreten, zeigt sich bei näherem Hinsehen oft, dass da auch weiter innen liegende Enttäuschungen eine Rolle spielten, die bedacht sein wollen. Ein Glaubensexamen gibt es hingegen nicht. Viel eher kommt zur Sprache, wo einem der Glaube und das In-der Kirche-sein Stärkung und Halt geben kann.

Was gehört noch dazu, zum Aufnahmegespräch in der Nikolaikirche?

Weichenhan: Der Dreh- und Angelpunkt ist schon die Frage, warum die Interessenten wieder eintreten möchten. Es geht aber auch um die rechtlichen Voraussetzungen. Man muss ja verschiedene Dokumente mitbringen, zum Beispiel den Nachweis der Taufe und des Austritts. Dann entscheiden beide Gesprächspartner  gemeinsam, ob der Wiedereintritt sofort vollzogen werden kann oder ob noch Klärungen nötig sind. Zum Wiedereintritt gibt es eine schöne Urkunde, ein Begrüßungsgeschenk und einen Brief der Pröpstin unserer Landeskirche. In Berlin, wo etwa 130 bis 140 Menschen pro Jahr in die Kirche wieder eintreten, findet einmal im Jahr ein Begrüßungsgottesdienst mit Empfang statt, an dem Dutzende Neumitglieder teilnehmen. Wir in Brandenburg überlegen, ob wir auch so etwas einführen. Wenn wir nicht über die Eintrittsstelle, sondern über unseren Gemeindekirchenrat Menschen aufnehmen, schreiben wir einen Begrüßungsbrief, in dem wir unter anderem auf Psalm 84 Bezug nehmen: „Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen…“

Wenn ich nun vor Jahren aus Wut meine Taufbescheinigung zerrissen und weggeworfen habe, was ist dann?

Weichenhan: Dann gibt es immer noch die Möglichkeit, dass Sie die Gemeinde, in der Sie getauft wurden, um eine Bestätigung bitten, dass Sie in den Kirchenbüchern als getauft vermerkt sind.

Meiner mündlichen Versicherung allein würden Sie nicht glauben?

Weichenhan: Sie bedarf einer schriftlichen Untersetzung. Ein Eintritt ist ja mit Rechten und Pflichten verbunden. Da reicht die mündliche Versicherung nicht aus. Und die Erfahrung über die Jahre zeigt, dass der nötige Schriftkram keine unüberwindliche Hürde ist. Lassen Sie es mich mit einem Augenblinzeln sagen: Wer den Weg finden will, findet ihn - wer nicht, findet Gründe.

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