03.04.2018

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Farbbeutel fliegen auf Moscheen, Drohungen mit Gewalt machen Muslimen Angst. Eine Welle von Übergriffen hat islamische Einrichtungen in Deutschland erfasst. Der türkische Krieg in Nordsyrien, der sich zum erheblichen Teil gegen die Kurden richtet, hat hässliche Auswirkungen auch in Deutschland. Denn hinter manchen Übergriffen auf die Moscheen des deutsch-türkischen Verbandes Ditib scheinen kurdische Aktivisten zu stehen, derweil in manchen Ditib-Moscheen Imame für den Sieg der türkischen Armee beten. Zu den offensichtlich kurdischen Übergriffen kommen vermutlich solche von Rechtsradikalen hinzu.

Die in den vergangenen Jahrzehnten erreichte Integration der Muslime in die deutsche Gesellschaft nimmt zunehmend Schaden. Auch beim Thema islamischer Religionsunterricht geht es keinen Schritt mehr voran. Im Gegenteil: In Hessen, dem Vorzeigeland in Sachen islamischer Religionsunterricht, hat der Kultusminister der Ditib ein Ultimatum gestellt: Sie soll bis zum Jahresende ihre Unabhängigkeit vom türkischen Staat beweisen. In Nordrhein-Westfalen wurden zwei muslimische Verbände vom Oberverwaltungsgericht Münster in ihre Schranken gewiesen, als sie mit dem Hinweis darauf, sie seien Religionsgemeinschaften, einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht im Land beanspruchten. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), erwägt im chrismon-Interview eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Juristische Niederlagen, unklare Haltungen türkischer Imame in Deutschland, die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei: Sie haben dazu geführt, dass die muslimischen Verbände gegenwärtig mit dem Rücken zur Wand stehen. Das ist ein Desaster nicht nur für die Muslime im Land, sondern für die ganze deutsche Gesellschaft, die durch eine bessere Integration beider Seiten nur gewinnen kann.

Dass in Nordrhein-Westfalen ein Gesetz in Vorbereitung ist, das Richtern, Staatsanwälten, Rechtsreferendaren, Schöffen und Justizmitarbeitern vor Gericht das Tragen "religiös oder weltanschaulich anmutender Kleidung", also auch des muslimischen Kopftuchs, untersagen soll, wird noch für heftige Debatten sorgen. In einem anderen Fall war die Debatte schneller beendet, als sie angefangen hatte: Die Eilklage einer Muslimin, die voll verschleiert Auto fahren wollte, lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. Im Straßenverkehr gilt eben das Verhüllungsverbot. Wäre sie mit einem Motorradhelm und Mundschutz unterwegs, sähe die Entscheidung des Gerichtes vermutlich anders aus. 

Eine spannende Lektüre und anregende Debatten wünscht Ihnen

 

Eduard Kopp

Leitender Redakteur (Theologie)

 

Übrigens: chrismon plus, die deutlich erweiterte Ausgabe von chrismon, ist nun in Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen erhältlich: mehr chrismon nicht nur für die Leserinnen und Leser, denen das Supplement in ihrer Zeitung entgangen ist.