Demonstration in Berlin zum Gedenken an Opfer von Halle (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
In Halle wollte ein Mann im Oktober ein Blutbad in einer Synagoge anrichten. Er erschoss zwei Menschen, die ihm zufällig über den Weg liefen. Die Tat rüttelte auf. Ein Kompetenznetzwerk soll den Kampf gegen Antisemitismus effektiver machen.
30.06.2020

Der Antisemitismus in Deutschland soll mit einer Bündelung von Beratungsstellen, Bildungsstätten und bundesweiten Recherchezentren effektiver bekämpft werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) stellte am Dienstag in Berlin das Kompetenznetzwerk Antisemitismus vor. Sie verwies auf die Statistik der politisch motivierten Kriminalität für 2019, wonach die Zahl der antisemitischen Straftaten im Vergleich zu 2018 um 13 Prozent gestiegen ist und sagte, auch aktuell gebe es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie "krude antisemitische Vorwürfe".

Beim Synagogen-Angriff im vergangenen Oktober in Halle sei bereits sichtbar geworden, wie schlimm die Lage in Deutschland sei, fügte sie hinzu. In Halle hatte ein Täter versucht, ein Blutbad in einer Synagoge anzurichten. Er scheiterte an der verschlossenen Eingangstür, erschoss aber zwei Menschen, die ihm zufällig über den Weg liefen. Giffey betonte, dass dies nur die Spitze des Eisbergs sei. Man müsse mit Aufklärung und Informationen gegenhalten.

Bildungsarbeit und Beratung

Die fünf Organisationen des Kompetenznetzwerks hatten sich bereits im Januar zusammengeschlossen: das Anne Frank Zentrum, die Bildungsstätte Anne Frank, der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment (ZWST) sowie die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA). Ab sofort ist die gemeinsame Webseite online zugänglich. Ziel des Netzwerks ist es, durch Bildungsarbeit und Beratung sowie durch eine Dokumentation antisemitischer Vorfälle und deren Analyse ihre Arbeit zu professionalisieren.

Finanziert werden sie dabei auch mit Mitteln des Bundesprogramms "Demokratie leben!", für das das Familienministerium in diesem Jahr 115 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Giffey sagte dem Kompetenznetzwerk zunächst zwei Millionen Euro zu.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sprach über die aktuelle Verbreitung antisemitischer Verschwörungsmythen im Internet und auf Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen. Gerüchte, wonach Juden das Coronavirus in die Welt gesetzt hätten, um an den Heilungs- oder Impfkosten zu verdienen, seien "erschreckend" und kursierten weltweit. Auch deshalb sei es so wichtig, dass sich die Akteure im Kampf gegen Antisemitismus zusammentäten. Die fünf Organisationen, die nun zusammenarbeiteten, seien fünf Finger, die sich jetzt zu einer schlagkräftigen Hand verbunden hätten.

Finanzielle Unterstützung gefordert

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, begrüßte die Vernetzung. Niemand müsse sich mehr alleine fühlen, wenn er Opfer einer antisemitischen Straftat geworden sei. Erstmals werde die Erhebung von Daten zu Judenfeindlichkeit direkt verknüpft mit der Entwicklung von Präventions- und Bildungsarbeit, und zwar von etablierten Organisationen mit jahrelanger Erfahrung in dem Feld. Jede Form von Antisemitismus müsse gleichermaßen bekämpft werden, unterstrich er, auch wenn ein rechtsextremer Terroranschlag wie der in Halle selbstverständlich eine andere, furchtbare Wirkung habe als eine gezischte Beleidigung im bürgerlichen Milieu. Und doch seien beide Ausdruck davon, wie beharrlich Judenhass einerseits sei und wie wandelbar er sich andererseits immer wieder zeige.

Der Antisemitismusbeauftragte der FDP-Bundestagsfraktion, Benjamin Strasser, forderte die Bundesregierung auf, zusätzlich den Aufbau eines bundesweit agierenden Netzwerks an Antisemitismus-Meldestellen finanziell zu unterstützen. Damit werde eine Möglichkeit geschaffen, um antisemitische Vorfälle vertraulich zu melden und die Strafverfolgung in die Wege zu leiten.

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