EKD-Synoden-Präses Irmgard Schwaetzer
epd-bild/Juergen Blume
Die evangelische Kirche schrumpft. Die Lage sei "sehr ernst", sagt EKD-Synoden-Präses Schwaetzer. In diesem Jahr noch soll über Reformen entschieden werden. Für die Protestanten könnten es die tiefgreifendsten Veränderungen seit Jahrzehnten werden.
30.06.2020

Mitgliederrückgang, weniger Einnahmen, Verlust an Relevanz: Die evangelische Kirche steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Lage sei "sehr ernst", sagt die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer. Zugleich wolle man sich nicht entmutigen lassen, betont sie. Im November soll die Synode über Veränderungen in der EKD und ihrer 20 Landeskirchen entscheiden. Die Pläne dafür nehmen jetzt an Fahrt auf. Für alle Bereiche werde eine Neukonzeptionierung vorgelegt, sagte Schwaetzer dem epd.

Die Synodentagung soll den Abschluss eines zweijährigen Diskussionsprozesses bilden. Nach dem Reformationsjubiläum 2017 wurde die Debatte über die Zukunft der evangelischen Kirche gestartet. Seit gut einem Jahr liegt zudem das Ergebnis einer bei Freiburger Finanzwissenschaftlern beauftragten Prognose vor, wonach sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 halbieren könnte. Das dürfte dann auch zu Einnahmeverlusten bei der Kirche führen, die bislang trotz rückläufiger Mitgliederzahl von der guten Konjunktur profitierte.

Plausibilität und Relevanz

Die Gründe für den Rückgang lägen nicht nur in der Demografie, bilanziert ein Papier der EKD, das Grundlage für den anstehenden Reformprozess ist. Christlicher Glaube habe für viele Menschen an Plausibilität und Relevanz verloren, heißt es darin. Schwaetzer formuliert es so: "Die Corona-Krise hat offengelegt, dass die Schwäche der christlichen Kirche auch mit einer Glaubenskrise zu tun hat." Das Ziel sei eine geistliche Orientierung. Allerdings stehen auch handfeste Finanzdebatten an, weil die Kirche nicht nur auf lange Sicht, sondern auch durch die Corona-Krise mit einem Einnahmeverlust rechnen muss.

Ohne Einsparungen wird es nicht gehen. "Entschieden wird nach Priorität", sagte Schwaetzer. Dafür gebe es drei Kriterien, darunter die Wirkung für die Mitgliederbindung und die öffentliche Präsenz. Ein weiteres Kriterium soll die "Gemeinschaftsbildung" innerhalb der EKD sein. Doppel- und Mehrfachstrukturen in Landeskirchen sollen möglichst abgebaut werden. "Wir wollen die evangelische Vielfalt, aber mit einem stärkeren Gemeinschaftsgeist", sagte Schwaetzer.

Mitsprache und Beteiligung

Wo konkret gespart werden soll, sagte die Synoden-Präses und frühere Bundesministerin nicht. "Zunächst muss mit denen gesprochen werden, die von der neuen Zuordnung von Ressourcen betroffen sind", erklärte sie.

Besondere Aufmerksamkeit will die Kirche Schwaetzer zufolge künftig denjenigen schenken, die sich in kirchlichen Angeboten engagieren, aber nicht Mitglied sind, darunter Berufseinsteiger. "Mit diesen Menschen wollen wir ins Gespräch kommen und auch versuchen, sie an uns zu binden", sagte sie. Das könne geschehen durch Mitsprache und Beteiligung auch für Nicht-Mitglieder. Zur Überlegung, Berufsanfänger auch weniger Kirchensteuer zahlen zu lassen, wollte sich Schwaetzer nicht festlegen. "Das wird mit Sicherheit heiß diskutiert werden", sagte sie. Das letzte Wort über die Reformen haben die Synodalen.

Auch neue Formate brauche die Kirche, um Jüngere anzusprechen, ist Schwaetzer überzeugt. Das Ende des traditionellen Gottesdienstes sieht sie deswegen nicht. "Wir gehen aber davon aus, dass künftig nicht mehr so viele Gottesdienste am Sonntag um 10 Uhr gefeiert werden", sagte sie.

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Schade, dass:
- es in diesem Diskussionsprozess keine Beteiligung der Basis, nämlich der Kirchengemeinden, in irgendeiner Form gegeben hat.
- Reformen und Änderungen in der EKD immer auf neue Formate reduziert werden.

Die evangelische Kirche benötigt keine neuen Formate, um Jüngere anzusprechen. Es muss sich auf das Wesentliche und die Traditionen konzentriert werden, aus denen die evangelische Kirche kommt und auf denen sie aufbaut.

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen nur daran drehen. Wir müssen an die Wurzeln/ die Herkunft unserer Kirche wieder anknüpfen und nicht Neues erfinden.

Schlichte Wortgottesdienste mit inhaltsleeren, aber dafür langen Predigten begeistern schon längst niemanden mehr.

Der Gottesdienst muss mit möglichst vielen Sinnen erfahrbar werden, ohne seine inhaltliche Tiefe und Teile der Liturgie aufzugeben und damit beliebig zu werden. Denn genau das passiert zunehmend mit immer neuen Formen von "Gottesdiensten".

Auch der Weggang vom Sonntagsgottesdienst ist das falsche Zeichen. Damit geben wir als evangelische Kirche den Tag des Herrn und damit unsere Identität auf.

Ebenso ist die Reduzierung der Pfarrstellen der kontraproduktive Weg, um Gemeinden wiederaufzubauen. Damit und in Kombination mit dem bestehenden Inhaltsverlust schafft sich die evangelische Kirche nur selbst ab.

Das Argument der fehlenden Einnahmen durch sinkende Mitgliederzahlen zur Bezahlung der Pfarrstellen greift nicht durch, da die (überwiegenden) Einnahmen für die Bezahlung der Pfarrstellen die Pachteinnahmen aus dem Pfarrland sind. Die Pachteinnahmen aus dem Pfarrland steigen jedoch seit Jahren (über-)proportional und übersteigen die sinkenden Einnahmen durch sinkende Mitgliederzahlen bei weitem.

Dringend nachzudenken ist hingegen über die Reduzierung des Verwaltungsapparates - insbesondere bei den Landeskirchen - sowie die Optimierung der Verwaltungsstrukturen in den Kreiskirchenämtern durch Zusammenlegungen. Denn in die Verwaltung fließt ein Großteil der Kirchensteuern, bevor davon überhaupt nur ein Teil in den Kirchengemeinden ankommt, wo das Geld jedoch zum Gemeindeaufbau benötigt wird.

Hilfreich und für eine wieder wachsende ehrenamtliche Hilfe überzeugend wäre zudem die Rückbesinnung der kirchlichen Verwaltungsstruktur auf den Dienstleistungscharakter und die Unterstützung der Ehrenamtlichen in den Kirchengemeinden vor Ort. Die letzten Jahre zeigten hingegen eine zunehmende Verlagerung von Aufgaben und Pflichten weg von den Hauptamtlichen in der Verwaltung und im Verkündigungsdienst hin zu den ehrenamtlichen Gemeindemitgliedern. Das überfordert und frustriert Ehrenamtliche zum Teil soweit, dass sie ihre freiwilligen Arbeiten niederlegen oder sogar austreten.

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