Um bei den oft schwierigen Ermittlungen in ausufernden Missbrauchsfällen wie Bergisch Gladbach zu helfen, setzt Nordrhein-Westfalen nun eine Taskforce ein, die bislang vor allem bei Internetkriminalität ermittelte. Ab Juli soll sie die Arbeit aufnehmen.
29.06.2020

Die Ermittlungen gegen das Netzwerk von Pädokriminellen rund um den Missbrauchsskandal von Bergisch Gladbach haben Spuren zu bislang 30.000 Tatverdächtigen ergeben. Das teilte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Montag in Düsseldorf mit. Erschreckend sei die "Selbstverständlichkeit", mit der sich Vertreter der Szene zum Teil auch in offen zugänglichen Bereichen des Internets über ihre Taten austauschten, sagte Biesenbach. Ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Szene sei notwendig. Deswegen soll in Nordrhein-Westfalen künftig eine Taskforce bei den oft schwierigen Ermittlungen helfen.

Mit Beruhigungsmitteln gefügig gemacht

Das Bundesland will dazu auf die Unterstützung durch die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) zurückgreifen. Die Taskforce soll am 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen. Die Auswertung der Beweismittel sei oft schwierig und müsse unter hohem Zeitdruck stattfinden, sagte Biesenbach.

Es gehe darum, die Strukturen und technischen Voraussetzungen bei den Ermittlungen zu optimieren und die Schnittstelle zwischen der technischen Auswertung und der Strafverfolgung zu verbessern, betonte der Minister. Damit schaffe man bundesweit eine "der ersten Gruppen" mit solch einer Vernetzung.

Der Leiter des ZAC NRW, Oberstaatsanwalt Markus Hartmann erklärte, es gebe einen "intensiven Resonanzraum", in dem Teilnehmer andere Personen ausdrücklich dazu aufforderten, Kinder zu missbrauchen, oder ihnen Tipps gäben, wie Jungen und Mädchen mit Beruhigungsmitteln gefügig gemacht werden könnten. Dadurch würden die Hemmschwellen, sich an Kindern zu vergehen, deutlich gesenkt.

Künstliche Intelligenz im Einsatz

Bislang ist die ZAC NRW vornehmlich für die Bekämpfung von kriminellen Hackern, Cyberterroristen und Drogendealern zuständig. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie auch in Ermittlungen zu Sexualstraftaten gegen Kinder eingebunden. Bei den Ermittlungen gehe es primär darum, Kindesmissbrauch zu entdecken und zu unterbinden, die Pseudonyme der Beteiligten zu entschlüsseln und Straftaten zu verfolgen, sagte Hartmann. Delikte wie Kinderpornografie träten dagegen zunächst in den Hintergrund - sofern es keine Hinweise darauf gebe, dass zur Produktion dieses Materials aktuell ein Kind missbraucht werde.

Laut Justizminister Biesenbach handelt es sich bei Kinderpornografie und Kindesmissbrauch um ein "sehr dynamisch sich entwickelndes und änderndes Deliktsphänomen". Neue technische Auswertungsmöglichkeiten etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz sollen die Möglichkeit schaffen, noch gezielter Hinweisen auf Kinderpornografie im Internet nachzugehen.

Zugleich unterstrich Biesenbach die Notwendigkeit, bei Ermittlungen die Verbindungsdaten von Tatverdächtigen vorübergehend speichern zu können. Diese Vorratsdatenspeicherung sei nötig, weil die bestehenden Instrumente zumeist nicht ausreichten, der Täter "habhaft" zu werden. Der Justizminister kündigte ein Gutachten an, das auf Grundlage aktueller Rechtsprechung den Handlungsspielraum ausloten soll. Dabei müsse geklärt werden, welche rechtlichen Möglichkeiten Ermittlungsbehörden im Kampf gegen Kindesmissbrauch eingeräumt werden könne. Bei der Verwaltung der Daten könnte auch ein "Treuhänder" eingesetzt werden, der den rechtsstaatlichen Umgang mit den von den Providern zur Verfügung gestellten Daten sichern soll.

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