Bauarbeiten für den neuen Garnisonkirchturm in Potsdam (Archivbild von 2018)
epd-bild/Rolf Zoellner
Ein Lernort für Demokratie und Geschichte soll nach Vorstellung der Baustiftung im neuen Turm der Potsdamer Garnisonkirche entstehen. Doch die Kritiker trauen den Ankündigungen nicht. Nun haben sie einen eigenen Lernort im Internet aufgebaut.
26.06.2020

Kritiker des Wiederaufbaus der Potsdamer Garnisonkirche haben einen Internet-Lernort über die Geschichte des Bauwerks und die Debatten darüber gestartet. Ziel sei zu vermitteln, was die Garnisonkirche für die deutsche Geschichte und den "Weg ins nationalsozialistische Unheil" bedeutet habe, sagte der Sozialwissenschaftler Micha Brumlik bei der Vorstellung des Internetportals am Freitag in Berlin. Die preußische Militärkirche wurde 1735 fertiggestellt, 1945 weitgehend zerstört und 1968 abgerissen. Seit 2017 wird ein neuer Kirchturm gebaut.

Die Garnisonkirche, die 1933 von den Nazis zur Inszenierung der Reichstagseröffnung genutzt wurde, stehe für die Verbreitung antidemokratischer Inhalte unter dem Deckmantel des christlichen Glaubens, sagte Brumlik. Die Auseinandersetzung damit sei angesichts der Ausbreitung rechten und populistischen Gedankenguts auch heute wichtig.

Geschöntes und teils verfälschtes Bild

Trägerin des virtuellen Lernorts ist die Martin-Niemöller-Stiftung. Eine "Art Drehbuch" für das Konzept der Internetplattform sei die 2017 veröffentlichte Promotion von Matthias Grünzing "Für Deutschtum und Vaterland. Die Garnisonkirche im 20. Jahrhundert", sagte Brumlik. Zum Start seien dort mehr als 30 Beiträge von rund 20 Autoren abrufbar, sagte der Architekturprofessor Philipp Oswalt. In den kommenden Monaten seien stetige Erweiterungen geplant. Unmittelbar am historischen Standort solle zudem eine kritische Ausstellung entstehen.

Das Projekt sei auch "ein Affront an die Stiftung Garnisonkirche", sagte Gerd Bauz vom Vorstand der Niemöller-Stiftung. Die Garnisonkirchenstiftung habe bisher keinen akzeptablen Lernort geschaffen. Dies sei zwar angekündigt, aber nicht umgesetzt worden, hieß es. Ganz im Gegenteil würden Befürworter des Vorhabens bis heute ein geschöntes und teils verfälschtes Bild von der Geschichte des Ortes zeichnen. Dem solle nun mit der neuen Internetseite entgegengetreten werden.

Gehorsam, Militär und Staatskirche

"Dafür müssen die Fakten auf den Tisch", sagte Oswalt: "Es sind viele Texte, es sind lange Texte, es sind anspruchsvolle Texte." Die Garnisonkirchenstiftung informiert auf ihrer eigenen Internetseite ebenfalls mit verschiedenen Texten und Dokumenten sowie einer Online-Ausstellung über das Bauprojekt und die historische Kirche.

Die Garnisonkirche sei mehr als 200 Jahre lang ein wichtiger Symbolbau gewesen, heißt es auf der neuen Internetseite der Kritiker: "In der ambivalenten Geschichte Preußens repräsentiert sie dessen problematische Seite." Das Bauwerk stehe nicht für Aufklärung, Emanzipation, Liberalität und Rechtsstaatlichkeit, sondern für Gehorsam, Militär und Staatskirche. "Sie steht nicht für den demokratischen Freistaat Preußen der Weimarer Epoche, sondern für die antidemokratischen Kräfte des Deutschen Reichs", heißt es dort weiter.

Dem wissenschaftlichen Beirat für den virtuellen Lernort gehören neben Brumlik neun weitere Experten an, darunter die Historiker Manfred Gailus, Annette Leo und Geoff Eley, die Kunsthistorikerin Gabi Dolff-Bonekämper und der evangelische Theologe Andreas Pangritz. Unter den Wissenschaftlern seien mehrere ausgewiesene Experten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, sagte Brumlik. Als Vorsitzende des Beirats seien Brumlik und Leo gewählt worden.

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