Hubertus Heil
epd-bild/Christian Ditsch
Die Bundesregierung ist besorgt über die mehr als 1.300 Corona-Infektionen beim Schlachtbetrieb Tönnies in Nordrhein-Westfalen. Arbeitsminister Heil kündigt Maßnahmen an, um Missstände in der Fleischindustrie zu beseitigen.
22.06.2020

Nach dem massiven Corona-Ausbruch bei dem Schlachtbetrieb Tönnies hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) scharfe Maßnahmen ankündigt, um Missstände in der Fleischindustrie beheben. "Wir machen jetzt Schwerpunktrazzien der Arbeitsschutzbehörden des Zolls", sagte er am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Auch im System müsse sich etwas ändern. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte ebenfalls ein entschlossenes Handeln zur Eindämmung des Virus-Ausbruchs. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland bezeichnete den Fall Tönnies als Symbol für "ein menschenunwürdiges und Tierleid erzeugendes Agrarsystem".

Heil betonte, es müsse mit den vielen Subunternehmen und der Ausbeutung von Menschen Schluss sein. "Unter der Bedingung der Pandemie wird aus dieser Form von Ausbeutung ein allgemeines Gesundheitsrisiko", sagte der SPD-Politiker. "Das kann sich diese Gesellschaft nicht länger bieten lassen."

Unternehmen in der Pflicht

Der Minister forderte zugleich die Verantwortung der Unternehmen ein. "Ich erwarte von diesem Unternehmen, dass alles getan wird, um den Schaden zu begrenzen, um tatsächlich auch einzustehen für das, was da angerichtet wurde", sagte Heil. Es müsse geprüft werden, welche zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeiten es gebe.

Unterdessen warnte Gesundheitsminister Spahn vor einem Übergreifen des Corona-Ausbruchs bei Tönnies auf ganz Deutschland: "Jetzt gilt es, jeden regionalen Ausbruch umgehend einzudämmen und die Infektionsketten zu unterbrechen", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag). "Nur mit entschlossenem Handeln vor Ort in Ostwestfalen kann ein Übergreifen auf ganz Deutschland verhindert werden", sagte Spahn. Es sei gut, dass die NRW-Landesregierung dem Geschehen höchste Priorität einräume, sagte der Gesundheitsminister.

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte, der Fall Tönnies sei nur die Spitze des Eisbergs. "Seit Jahrzehnten erleben wir in der Land- und Lebensmittelwirtschaft ungehemmte Konzentrationsprozesse zu immer größeren Ställen, Bauernhöfen oder Schlachtkonzernen", erklärte er am Montag in Berlin. Dabei blieben gute Arbeitsbedingungen, artgerechte Tierhaltung sowie Umwelt- und Klimaschutz viel zu oft auf der Strecke. Die auf Wachstum und Agrarexport ausgerichtete Politik habe einen erheblichen Anteil an dem Skandal.

Fabriken bis Juli geschlossen

Nach dem massiven Corona-Ausbruch bleibt die Großschlachterei Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück bis 2. Juli geschlossen. Der zuständige Kreis Gütersloh hatte am Wochenende die 7.000 Beschäftigten und das Management per Verordnung unter Quarantäne gestellt. Bis Sonntagnachmittag wurden nach Behördenangaben rund 1.330 Beschäftige vor allem aus Osteuropa positiv auf das Coronavirus getestet.

Die Landesregierung entschied sich am Sonntag aber gegen einen Lockdown und damit das massive Runterfahren des öffentlichen Lebens für die ganze Region. Er könne aber einen Lockdown nicht ausschließen, wenn es zu einer höheren Zahl an Infizierten kommen werde, sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in Gütersloh.

Auch Vertreter der westfälischen Kirche forderten die Politik zum Handeln auf. Das "System Billigfleisch" müsse überwunden werden, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) und des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Sozialpfarrerin der westfälischen Kirche, Heike Hilgendiek, mahnte EU-weite Regelwerke an. Das geplante Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft könne nur ein erster Schritt sein, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

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