Intensivstation
epd-bild / Werner Krueper
Das Intensivpflegegesetz der Bundesregierung soll die Qualität der Versorgung von Intensivpatienten auch außerhalb von Kliniken verbessern - etwa in speziellen Wohngemeinschaften. Betroffene fürchten jedoch um ihr Recht auf Selbstbestimmung.
17.06.2020

Patientenschützer, Behinderten- und Wohlfahrtsverbände fordern Änderungen am geplanten Intensivpflegegesetz, das an diesem Mittwoch Thema einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages ist. Sie kritisieren, dass bisher ambulant versorgte Intensiv- und Beatmungspatienten gegen ihren Willen zum Umzug in Pflegeheime gezwungen werden könnten.

Nach ersten Protesten hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Gesetzentwurf bereits überarbeitet. Die Kritiker sehen ihre Sorgen dadurch jedoch nicht ausgeräumt.

"Den Kostenträgern ausgeliefert"

"Kommt das Gesetz ohne Änderungen, dann wird der Grundsatz 'ambulant vor stationär' auf den Kopf gestellt", sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach dem vorliegenden Entwurf seien die schwerstkranken und pflegebedürftigen Patienten "den Kostenträgern ausgeliefert".

Das Gesetzesvorhaben Spahns sieht vor, dass Intensiv- und Beatmungspatienten nur noch dann zu Hause oder in speziellen Einrichtungen ambulant versorgt werden dürfen, wenn "die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt ist". Überprüfen soll das jährlich der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Zudem sollen die Kontrollen und Qualitätsanforderungen erhöht werden, nachdem etliche Fälle von Abrechnungsbetrug bekanntgeworden waren.

Unbestimmte Rechtsbegriffe

Durch die unbestimmten Rechtsbegriffe "tatsächlich" und "dauerhaft" hätten die Krankenkassen eine sehr große Entscheidungsmacht, kritisierte Brysch und forderte, der Gesetzgeber müsse genau definieren, was diese Begriffe bedeuten. "Auch dürfen festgestellte Mängel nicht sofort zwangsläufig in eine Heimunterbringung führen", betonte der Patientenschützer.

"Es kann nicht sein, dass die Medizinischen Dienste, also letztendlich die Krankenkassen, entscheiden, wo Intensivpflegepatientinnen und -patienten versorgt werden", kritisierte auch die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. Das komme einer Entmündigung gleich. Es dürfe keinesfalls darum gehen, Kosten einzusparen.

"Auch Menschen mit Intensivpflegebedarf haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben am Ort ihrer Wahl", betonte Bentele, die auch Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrates ist. Wenn bei einer Überprüfung Mängel festgestellt würden, sollten die Krankenkassen verpflichtet werden, "Abhilfe am Ort der Leistungserbringung zu schaffen".

Freie Wahl des Lebensmittelpunkts

"Das höchst umstrittene Gesetzesvorhaben darf so nicht verabschiedet werden", sagte auch die Vorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt. Der Gesetzesentwurf beschneide massiv das Selbstbestimmungs- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, heißt es in der Stellungnahme der BAG Selbsthilfe. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege erklärte, auch ein Mensch mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf müsse seinen Lebensmittelpunkt frei wählen dürfen. Es sei Aufgabe der Krankenkassen und Leistungserbringer, diesem Wunsch zu entsprechen.

Die Grünen kritisierten, dass die Betroffenen im Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt worden seien. Dazu wäre die Bundesregierung nach der UN-Behindertenrechtskonvention aber verpflichtet gewesen, erklärte die behindertenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Corinna Rüffer. Sie wies zudem darauf hin, "dass pflegebedürftige Menschen in stationären Einrichtungen nicht etwa besser aufgehoben sind, sondern eben dort besonders hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind". Das habe die Corona-Pandemie deutlich gezeigt

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